Nachgedacht über ...

… den Sinn des Lebens

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von Joachim Größer (2016)

 

Haben Sie den Sinn Ihres Lebens schon einmal hinterfragt? Haben Sie sich selbst eine Antwort geben können, wonach Sie in Ihrem Leben streben? Lebensziele können nah oder auch fern gesteckt sein. Für den pickligen pubertierenden Jungen wird das nahe Ziel sein, ein Mann zu werden. Das Mädchen malt sich vielleicht eine wunderschöne Hochzeit aus. Vielleicht sind diese Vorstellungen auch längst überholt. Sie gehörten vielleicht noch zu der Generation meiner Zeit, aber nicht zur heutigen Jugend? Vielleicht ist ein superschneller Spiele-Computer das Nahziel? Und das Mädchen hofft, die Abi-Prüfung mit „Eins“ abzuschließen? Schwer sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen und seinen Sinn des Lebens zu hinterfragen. Sicher bin ich mir, dass der Flüchtling, der dem Krieg entronnen ist, Geborgenheit und Sicherheit als gegenwärtig höchstes Ziel betrachten. Sicher bin ich mir auch, dass die Mehrheit der Menschen für ihr Leben diese Geborgenheit und diese Sicherheit als hohes Gut betrachten. Ein Staat, der den Menschen dieses garantiert, wird als guter Staat wahrgenommen. Dieser Staat wird von seinen Bürgern geachtet und anerkannt. Aber kann ein Staat all die unterschiedlichen Ansichten und Anschauungen der Millionen Menschen „bedienen“? Ein Millionär will zu seinen vielen Millionen weitere Millionen anhäufen, ein Langzeitarbeitsloser will endlich eine Festanstellung mit einem Gehalt, von dem man leben kann! Der Millionär schickt seine Lobbyisten, die die Politiker dahin gehend beeinflussen sollen, Gesetze zu verabschieden, die ihm weitere Höchstprofite sichern können. Der Arbeitslose hat keine Lobbyisten, kaum jemand vertritt seine Interessen. Auch Parteien für die „kleinen Leute“ haben sich meist der sogenannten „Mitte“ der Gesellschaft zugewandt. Sind 3 Millionen Arbeitslose keine Menschen, um die der Staat sich kümmern müsste? Diskussionen zwischen Politikern, die sich der Arbeitslosigkeit doch mal annehmen, werden häufig mit leeren Phrasen gefüllt. Dann ist die Rede von einer Neiddiskussion. Und schließlich hat doch jeder Mensch seine eigene Verantwortung dafür, was er aus seinem Leben macht. So argumentiert man. Nun vergleichen Sie mal die Startbedingungen in das Leben für einen Millionärssohn und einem gleichaltrigen Sohn eines Arbeitslosen! „So geht es in der Welt – der eine hat den Beutel, der andere hat das Geld.“ (deutsches Sprichwort)

In der Vergangenheit und das gilt auch noch für die Gegenwart versuchen Staatenlenker den Menschen den „Sinn des Lebens“ einzureden. Ein treffliches Beispiel wäre die Mär des „amerikanischen Traums“ und der wird ja bis heute als Lebensziel vorgegeben. Hunderttausende aus allen Teilen der Erde versuchten, sich diesen Traum zu erfüllen: vom Tellerwäscher zum Millionär. „Jeder kann es schaffen, man muss es nur wollen!“ So redete man auch in den armen Häusern Europas. Und als man um 1850 riesige Goldfunde in Kalifornien machte, da gab es kein Halten mehr. „Das Glück liegt auf dem Boden! Du musst es nur aufheben!“ So wurde im Wirtshaus geredet, ob in Bayern oder Preußen, in Hamburg oder Berlin.

Garantiert kennen Sie noch das alte Kinderlied aus dem 19. Jh.:

„Hänschen klein ging allein

in die weite Welt hinein …“

Viel kann man in der Erläuterung dieses Liedes hineininterpretieren. Fest steht, es geht um Abschiednehmen, Trennungsschmerz und Wiederfinden. In der 2. Strophe kommt Klein-Hänschen als erwachsener gestandener Hans aus der Ferne zurück:

„Sieben Jahr, trüb und klar,

Hänschen in der Fremde war.

Da besinnt sich das Kind,

eilet heim geschwind.

Doch nun ist's kein Hänschen mehr,

nein, ein großer Hans ist er …“

In einer Abhandlung hatte ich einst gelesen, dass dieses Liedchen so populär wurde, weil es die Situation der Amerikareisenden im 19. Jh. beschrieb. Für die wenigsten Auswanderer ging ihr Traum von Reichtum und Glück in Erfüllung. So mancher kam so arm - wie er einst von zuhause wegging - auch wieder in die alte Heimat zurück. Ob der Autor dieser Abhandlung mit seiner Aussage über Hänschen klein recht hatte, weiß ich nicht. Historisch erwiesen ist, für die meisten Auswanderer blieb es ein Traum.

Einen anderen „Sinn des Lebens“ versuchten die DDR-Oberen, ihren Bürgern vorzugeben. Eine klassenlose Gesellschaft war als Endziel der Politik angepeilt. Es wurden Menschenrechte verwirklicht, die ein kapitalistischer Staat niemals als Menschenrecht anerkennen wird, da sie seiner sozial-ökonomischer Basis widerspricht: das Recht auf Arbeit und auf Wohnen. Es gab keine Arbeitslosen und keine Obdachlosen in der DDR. Im Laufe ihrer 40-jährigen Geschichte wurde auch in der DDR das Verhältnis zwischen arm und reich verändert. Maßgeblich war das Lohngefüge dafür verantwortlich. Ein Facharbeiter verdiente fast soviel wie der Akademiker. Im Neubau wohnte der Herr Professor neben dem Dreher Max Schulze.

Und doch gab es genügend Menschen, die sich mit diesem Lebensstil nicht einverstanden erklärten. Zum einen war es das Streben nach persönlichem Reichtum, zum anderen wollte man der Übermacht des Staates entfliehen. Der DDR-Staat regelte und kontrollierte alles „von der Wiege bis zur Bahre …“ Und vergessen wir nicht, auch der äußere Einfluss wirkte. Es war der Kampf der Systeme – der „Kalte Krieg“.

Sehr interessant ist auch, dass nach dem Ende des 2. Weltkrieges die neugegründete West- CDU in den drei westdeutschen Besatzungszonen die sozialistische Gesellschaft als erstrebenswertes gesellschaftliches System in ihrem Parteiprogramm verankerte. Dieses gesellschaftspolitische Programm wurde schnell geändert. Antikommunismus und Kalter Krieg waren in den USA angesagt und auch in Westdeutschland umgesetzt – mit allen Konsequenzen und mit Nachwirkungen bis in unsere Gegenwart.

Da aber die DDR seit ihrer Gründung 1949 den sozialen Bereich des gesellschaftlichen Lebens stark betonte, musste in der kapitalistischen BRD ein Gegengewicht geschaffen werden. So „erschuf“ man die Soziale Marktwirtschaft und mit amerikanischen Dollars das sogenannte Wirtschaftswunder. Als die DDR 1989 und mit ihr der europäische sozialistische Staatenbund sich selbst abschaffte, begrub man die Soziale Marktwirtschaft und erhob die Lehre vom Neoliberalismus zum selig machenden. Der Sinn des Lebens, der jetzt vorgegeben wurde, hieß nur noch: „Money,  Money, Money …“ Das „K-Dreigestirn“ des Wirtschaftswunders (Küche, Kinder, Kirche) wich der Raffgier. Man verbannte das Soziale auf die „Hinterbank“. So verwundert es nicht, dass im ersten Jahr nach der Wiedervereinigung die Zahl der Millionäre in Deutschland sich um 200 erhöhte. Woher kam wohl dieses sagenhafte Vermögen?! Und heute – 2016: In keinem Land Europas ist der Reichtum so ungleich verteilt, wie in Deutschland.

Aber dieses Lebensmodell, das dieses Wirtschaftssystem vorgibt, wird von so manchem, der einst erfolgreich seinen „Traum vom großen Geld“ umsetzte, angezweifelt. So hörte man vor Kurzem im HR von einem ehemals erfolgreichen Multimillionär, der nach einer großen persönlichen Krise seine Millionen auf Stiftungen verteilte und selbst nichts mehr behielt. Er setzte dem Streben nach dem Maximalprofit einen neuen Extremismus dagegen: Er wurde buddhistischer Bettelmönch. Jetzt sucht er für sich persönlich seinen Sinn des Lebens. Für ihn ist viel Geld haben nicht mehr erstrebenswert. Der Buddhismus soll ihm bei der Sinn-Suche helfen.

„Der Sinn des Lebens im alten Buddhismus ist es, dem Kreislauf der Reinkarnationen im Samsara das Eingehen in das Nirvana zu entkommen, in das völlige Verlöschen – was das Verlöschen der Sinnfrage logisch einschließt. In der Lehre der Buddhisten wird alles Leben und Tun als schließlich zum Leiden führend entlarvt. Hierfür wird die Gier nach Leben, Macht und Lust als ursächlich erkannt. Nur die völlige Auslöschung dieser Gier kann zur Überwindung des Leidens führen.“

Der Islam: „Der Sinn des Lebens im Islam besteht darin, Allah zu dienen und sein Wohlgefallen zu erreichen.“

Das Judentum: „Der Sinn des Lebens im Judentum besteht in der Einhaltung der göttlichen Gesetze, d. h. in der Ehrfurcht vor Gott und seinem Willen.“

Auch die christliche Religion gibt den Sinn des Lebens vor: „… ist es, diese Gemeinschaft mit Gott und untereinander im Leben wie im bzw. nach dem Tod zu pflegen. Voraussetzung ist hierzu das Leben in Liebe, die innere und äußerliche Umkehr (Buße) und den Glauben an die Erlösung durch Jesus Christus, wie sie in der Bibel beschrieben wird, voraussetzt. Mit der Taufe beginnt das von der Sünde und dem Tod erlöste Leben, das sich in Gebeten, Sakramenten und guten Werken fortsetzt.“ (alle Zitate aus Wikipedia)

"Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme". Dieses Bibelzitat wurde im Mittelalter wörtlich genommen. Und so mancher reiche Kaufmann erzitterte vor dem Gedanken, im Fegefeuer zu schmoren, weil er auf Erden Reichtum angehäuft hatte.

So „erkaufte“ sich wohl 1521 Jakob Fugger, genannt der Reiche, seinen „Eintritt“ ins Himmelreich mit dem Bau der Fuggerei in Augsburg. Diese Fuggerei ist eine Reihenhaussiedlung, eine Sozialsiedlung. Bis heute wohnen hier 150 katholische Bedürftige „für eine Jahres(kalt)miete von 0,88 Euro. Sie sprechen dafür täglich einmal ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria für den Stifter und die Stifterfamilie Fugger. Bis heute wird die Sozialsiedlung aus dem Stiftungsvermögen Jakob Fuggers unterhalten.“ (entn. Wikipedia)

Die Angst vor der ewigen Verdammnis, die Angst vor dem Fegefeuer ließ viele Reiche im Mittelalter zu Spendern werden. In der Neuzeit gibt es Reiche, die nicht wissen, wie reich sie sind. Microsoft-Gründer Bill Gates soll ca. 80 Milliarden Dollar besitzen. Fast 30 Milliarden sollen in Stiftungen verschenkt worden sein. Er besitzt immer noch mehr als so mancher afrikanische Staat sein Eigentum nennt. Welchen Sinn macht es, solch Reichtum anzuhäufen. Um auf der Liste der reichsten Männer ganz oben zu stehen? Um Einfluss auf die Weltpolitik zu nehmen? Wie definieren solch Reiche ihren Sinn des Lebens?

Auch Märchen nehmen immer wieder Bezug auf den Sinn des Lebens. Besonders deutlich hat dies Wilhelm Hauff in seinem Märchen „Das kalte Herz“ beschrieben. Die reichen Holzhändler und Glasmacher haben ein Herz aus Stein; der arme Köhler Peter Munk strebt nach Reichtum und Ansehen. Der Holländer-Michel steht für Reichtum, Macht und Menschenverachtung. Im Gegensatz zum Holländer-Michel verkörpert das Glasmännchen das Gute. Das Märchen erzählt den Kampf zwischen Gut und Böse. Und wer gewinnt? Klar, im Märchen siegt doch (fast) immer das Gute. Und Märchen, ob nun Kunstmärchen oder Volksmärchen, sie alle beinhalten die Lebenswünsche der Menschen. Sie wünschen sich Liebe, ein würdiges Leben, einen guten König, der für das Volk da ist, Sicherheit und Geborgenheit. Im Märchen wird das Böse bestraft – das Gute siegt. Und deshalb lieben auch Erwachsene das Märchen. Sie auch?