Glauben die denn, dass alle blöd sind …

Glauben die denn, dass alle blöd sind …

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von Joachim Größer (2014)

 

„Glauben die denn, dass alle blöd sind!“, schreit Xaver Mauer so laut, dass seine Frau Angela überstürzt ins Wohnzimmer eilt.

„Was ist, Xaver?“, fragt sie erschrocken..

„Nichts ist!“, erwidert Xaver recht laut. „Da spioniert man die ganze Welt aus und dann wird uns eingeredet, dass Spionage gut ist. Erst redet ein deutscher Präsident von der bösen Spionage der DDR-Stasi und lobt die gute amerikanische NSA, die für die Freiheit spioniert. Und nun?! Jetzt bläst der amerikanische Präsident ins selbe Horn. Ja – glauben die denn, dass wir alle saublöd sind!“

„Xaver!“ Bitte rege dich nicht so auf! Du weißt doch, was der Arzt dir gesagt hat?! Dein Blutdruck! Du bist im kritischen Alter! Herzinfarkt!!!“

„Ach lass mal, Angela“, antwortet Xaver recht ruhig. „Dieser Ärger regt meinen Kreislauf nur an. Weißt, dieser Obama hatte vor seiner ersten Präsidentschaft nicht nur meine Sympathien. Wie viele Millionen Menschen außerhalb der USA haben ihm die Daumen gedrückt, dass er endlich, als gewählter Präsident, für eine gerechte und ehrliche Welt eintreten kann. Und was ist daraus geworden? Nichts! Nur leere Worte waren dies! In Wahrheit wurde das Morden mithilfe der Drohnen perfektioniert, Guantanamo bleibt weiterhin bestehen und unter Obamas Präsidentschaft wurde die National Security Agency, also die NSA, als Geheimdienst zu einer der gefährlichsten Waffen, die die Amis gegen die Welt einsetzen können.“

„Xaver, was redest du da? Ein Geheimdienst ist doch keine Waffe?“

„Man benutzt das Internet! Man kann das Internet nicht nur ausspionieren, man kann damit auch Unwahrheiten als Wahrheiten verbreiten und somit Kriege vorbereiten. Man kann Trojaner in fremde Computersysteme einschleusen und ganze Wirtschaftszweige zerstören oder beeinträchtigen. Man kann die gesamte Energieversorgung eines unliebsamen Landes lahmlegen und diesen Staat so ruinieren. Man kann …“

„Ach Xaver, das geht doch nicht …“

„Klar geht das! Wenn du dich nur ein bisschen mehr für meinen Computer interessieren und weniger in deiner Klatschpresse lesen würdest, dann würdest du wissen, was ich meine.“

„Klatschpresse! Aus meiner Klatschpresse habe ich auch erfahren, dass die Angela Merkel abgehört wurde.“

„Toll deine Klatschpresse! Garantiert schreiben die jetzt nicht, dass der Obama das Handy von der Angela Merkel nicht mehr abhören will, aber das Handy von der Angela Mauer wird weiter abgehört, denn diese Frau könnte ja ein gefährlicher Terrorist sein. Du könntest Bomben bauen und …“

„Xaver, was redest du da! Ich ein Terrorist?!“

„Und warum will die NSA weiterhin alles, aber auch alles abhören - weltweit?! Weil alle Menschen auch Terroristen sein könnten! Genau! Die Geheimdienste wollen wissen, was die Menschen denken, wie sie ticken! Das versucht dieser Obama uns gerade einzureden. Und dann redet er von der Freiheit. Wenn jetzt einige Staaten ihre Ankündigung wahr machen und ein nationales Internet aufbauen, um der USA-Spionage zu begegnen, dann schreien die Amis garantiert: ‚Die Freiheit des Internets ist in Gefahr! Wir haben das Internet geschaffen! Wir kämpfen für seine Freiheit!‘ In Wirklichkeit meinen sie aber, dass ein solch nationales Internet viel schwerer zu überwachen ist. Man muss mächtige Firewalls überwinden, man muss neue Programme entwickeln, man …“

„Xaver, du übertreibst doch. Man kann doch nicht alles überwachen!“

„Oh Angela – jetzt hör gut zu! Heute ist Sonnabend. Wir sind um halb 7 aufgestanden und haben Licht angemacht. Unser Stromverbrauch ging in die Höhe. Wurde registriert! Du hast unseren funkelnagelneuen und sehr teuren Fernseher angemacht und dieser neue und teure Fernseher sendet ein Signal aus und man weiß, was wir gucken. Du rufst in wenigen Minuten unsere Tochter an. Das Gespräch wird um 8.32 Uhr geführt und von der Telefongesellschaft registriert und von der NSA aufgezeichnet. Wir wollen ins Einkaufszentrum fahren. Ich muss vorher noch tanken. Um 9 Uhr und 11 Minuten fahre ich zu unserer Tankstelle. Die Überwachungskameras filmen dich und mich. Ich bezahle mit EC-Karte. Ich werde beim Bezahlen gefilmt. Meine EC-Karte wird registriert. Wir fahren auf die Autobahn. Nach der Auffahrt stehen die großen Überwachungsbrücken – du weißt: Lkw-Maut-Gebühren. Nur die registrieren nicht nur Lkws, sondern auch unseren Kleinwagen. Achte mal auf das kleine rote Aufblinken, dass du bei den Kameras sehen kannst. Zwar heißt es, nur Lkws werden registriert, unsere Auto-Nummer ist aber auch registriert. Du könntest ja ein Terrorist sein! Dann könnte man dich auf der Autobahn stellen. Und das würde in Zukunft, nämlich bereits ab dem Jahre 2016, recht einfach sein. Dann könnte doch die Polizei dich einfach per Knopfdruck stoppen. Unser neues Auto würde dann – wie alle neuen Autos in den 28 Eu-Staaten - über ein EU-Überwachungsgerät verfügen und das hätte viele Funktionen. So kann man mit Hilfe dieses Gerätes unser Fahrzeug zum Stillstand bringen, man könnte die Ortslage feststellen und herausfinden, dass du und ich im Auto sitzen. Auch kein Problem für dieses kleine Gerät: Es weiß was ich getankt habe und wie voll unser Tank ist. Und zu allem Übel könnte man unser Gespräch abhören, denn in diesem Auto könnte ja ein Terrorist sein.

 Da du aber nur meine liebe – wirklich nur meine sehr liebe Ehefrau bist, fahren wir weiter zum Einkaufszentrum. Wir verlassen die Autobahn, und da unser Auto bei der nächsten ‚Maut-Brücke‘ nicht mehr registriert wird, weiß man: Aha, die Angela Mauer hat die Autobahn verlassen. Und wenn wir uns wieder so nett unterhalten, wie das letzte Mal, dann übersehen wir wieder den Blitzer kurz hinter der Autobahnabfahrt. Jetzt weiß man: Angela und Xaver Mauer haben um 9 Uhr und 54 Minuten diesen Blitzerstandort passiert und man kann einen fotografischen Beweis vorlegen. Uns kostet das mindestens 15 €. Dann schimpfst du mich wieder, dass ich nicht aufgepasst habe und dass du dir jetzt weniger kaufen kannst. Doch ich pfeife auf die 15 € und du darfst dir doch noch eine schöne Bluse für 45 € kaufen. So vertragen wir uns wieder, und als ich die Gesamtrechnung unseres Einkleidens bezahle, halte ich der jungen hübschen Verkäuferin meine Kreditkarte hin. Die Karte wird registriert – es ist 10 Uhr und 32 Minuten. Während ich bezahle, musst du unbedingt mit deiner Freundin telefonieren. Jetzt hört die NSA, dass du eine Kurzhose, eine Bluse, eine wirklich hübsche leichte Übergangsjacke, eine … ich kürze mal ab. Also, die NSA weiß jetzt, dass du auf Mode stehst, auch Geld hast, um das alles zu bezahlen und sie erfährt, dass die Franzi Müller deine Freundin ist. Und wenn du so viel Geld für Kleidung ausgeben kannst, dann hast du auch Geld, um Bomben zu bauen und die Franzi könnte deine Mitverschwörerin sein. Also kann man jetzt alle Telefonate, die auch die Franzi geführt hat, überprüfen. Es könnte ja ein Terror-Netzwerk in unserer Kleinstadt geben.

Wir fahren nach Hause zurück, nehmen aber nicht die Autobahn. Wir kommen an der Polizei und der Feuerwehrwache vorbei und werden garantiert von den dort installierten Kameras registriert. Auch die ‚Ehrenrunde‘ an dem Kreisel am Markt wird von der dort installierten Kamera gefilmt. Man weiß, die Mauers haben diese Stelle um 11.16 Uhr passiert. Da ich mich mal wieder verfranzt habe, könnten die Überwacher meinen, die Angela Mauer sucht den geeigneten Ort für ihr Bombenattentat. Deswegen fährt ihr Mann zweimal diesen unmöglichen Kreisel entlang.

Zu Hause schaltest du den Herd ein. Es wird registriert, Mauers sind zu Hause: Essen kochen. Ich schalte den Fernseher ein – klar: Signal geht ab: Mauer guckt Kanal x,y,z. Da am Nachmittag bei uns Ruhe ist, weiß man jetzt: Mauers halten Mittagsruhe. Das Telefon schrillt. Franzi ist dran und meldet sich zur ‚Modenschau‘ an. NSA weiß jetzt, Treff zweier möglicher Terroristen. Ich verziehe mich ins Vereinshaus. Dort über dem Eingang hängt eine Überwachungskamera. Sie filmt mich, wie ich meine Sportkameraden begrüße. Das sind aber keine Terroristen, denn die haben alle dicke Bäuche und können nicht mehr schnell wegrennen. Und da du von mir sagst, ich sei auch zu dick, scheide ich auch als Bombenleger aus. Du und die Franzi – ihr seid schlank und damit verdächtigt. Ihr könnt noch schnell wegrennen. Aber die NSA hat euch fest im Visier, denn ihr telefoniert mit unserer Tochter und die kommt auch sofort mit meinem Enkel. Ich kriege einen Handyanruf: ‚Opa – sofort nach Hause. Enkel braucht dich!‘

NSA registriert unsere Familienbande. Opa spielt mit Enkel Kinderspiele im Internet. Mein Provider registriert – wo, wie lange, was. Kinderspiele sind ungefährlich. Ich suche ja keine Anleitung fürs Bombenbauen. Aber die NSA hat uns auch hier fest im Auge – es könnte ja sein, auch ich bin ein Terrorist.

Unser Abend läuft ab, wie ein Sonnabendabend bei uns immer abläuft. Dank dieses furchtbar teuren Fernsehers weiß man, dass wir uns mal wieder über das unmögliche Fernsehprogramm ärgern, denn wir schalten hin und her. Ich drehe zwischendurch die Heizung im Schlafzimmer auf, denn meine liebe Frau mag Sex im Warmen. Zukünftig registriert dann der Thermostat, er wird dann von der US-Firma Google gebaut: Heizung im Schlafzimmer aufgedreht – Mauers haben Sex – es ist 10 Uhr – Heizung zurückgestellt 0.13 Uhr. Nicht das Google jetzt glaubt, dass wir 2 Stunden Sex haben, aber da wir nur an bestimmten Tagen die Heizung im Schlafzimmer aufdrehen, wissen die, wann wir uns ‚lieb‘ haben. Und da Google ein amerikanischer Konzern ist und per Gesetz mit der NSA zusammenarbeiten muss, müssten die jetzt eigentlich wissen, dass wir eine völlig normale Familie sind. Die müsste man doch gar nicht überwachen! Aber es könnte ja sein …. Vielleicht meint die NSA auch, dass Google doch eigentlich nicht nur Thermostate bauen soll, die Firma könnte doch auch eine kleine Kamera einbauen – nur eine klitzekleine, stecknadelgroß. Dann wären wir beide ‚Porno-Stars‘. Man könnte uns mit diesen Bildchen erpressen, uns als Geheime anwerben, die andere ausspionieren. Man könnte …“

„Xaver, es reicht!“ Angela Mauer ging in die Küche und rief ihrem Xaver zu: „Mach dich fertig. In 10 Minuten fahren wir!“

Xaver registrierte feixend, wie seine Frau die Überwachungskameras musterte, auf die Mautbrücke schielte und das hervorgeholte Handy wieder nach dem Einkauf wegsteckte. Nur am Abend, als er um 10 die Heizung im Schlafzimmer höher drehen wollte, da feixte er nicht mehr. „Heute nicht!!, sagte doch seine Angela.

„Da bin ich wohl zu weit gegangen!“, dachte Xaver. Als das Ehepaar Mauer sich zu Bett begab, kuschelte Xaver sich an seine Angela und flüsterte: „Sex macht auch im kalten Schlafzimmer Spaß.“ Und Angela …