Amouröses (Geschichten über die Liebe)

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Das Paradies

Xianmu

Meine Studentin

Der Versager

Der Blaustrumpf

Frau Be(ä)cker

Bitte beachten Sie!

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Das Paradies

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von Joachim Größer 2017

 

Im Wintergarten saßen sechs ältere Herren. Sie alle waren zwischen 80 und 95 und genossen die recht warme Frühlingssonne, die durch die geöffneten Fenster schien. Hohe Staudenpflanzen schufen eine angenehme Atmosphäre; fast konnte man meinen, unter Palmen in der Südsee zu sitzen.

Einer der Ältesten sagte: „Naja, da werden wir der Frau Doktor mal eine Freude machen. Ich werde mit meiner Erzählung den Einstand geben.“

 

Und er begann:

Also Männer, ihr wisst doch, dass ich fast mein ganzes Leben auf dem Meer zugebracht habe. Meine Familie besaß eine Hochsee-Fähre und jeder männliche Nachkomme hatte die Pflicht, das Kapitänspatent auf Große Fahrt abzulegen. Also musste ich auch Kapitän werden. Heftig wurde in der Familie gestritten, wie mein Start in den Berufsalltag aussehen sollte. Ich setzte mich gegenüber meinem Vater und Großvater durch. Mit einem einzigen Satz stimmte ich Großvater um und das war der Satz: „Entweder ich darf mit der ‚Marianne‘ ein Jahr auf die Weltmeere oder ich trete meinen Dienst auf der Fähre nicht an.“

„Gut mein Junge“, brabbelte mein Großvater, „tob dich auf den Meeren aus. Danach geht’s du deinem Vater zur Hand.“ Und dem Vater zur Hand gehen hieß, langweilige Fährfahrten zwischen Bremen und London. Mein Vater protestierte zwar, wollte er doch bald seine Kapitänsjacke an den berühmten „Nagel“ hängen.

Und ich plante jetzt eine Weltreise. Naja, Weltreise ist vielleicht hochgegriffen, ich wollte einfach nur die See genießen. Die „Marianne“ war ein hochseetüchtiger Segler, den ich perfekt als Ein-Mann-Segler beherrschte. Großvater hatte ihn bauen lassen, Vater hat mir auf ihr das Segeln beigebracht und nun startete ich in mein großes Abenteuer.

Ich nahm den Weg nach Westen, überquerte ohne größere Probleme den Atlantik und durch den Panamakanal gelangte ich in den Pazifik. Schon träumte ich davon, bald die asiatische Küste zu erreichen, als ein heftiger tropischer Gewittersturm mein Boot wie eine Nussschale hin- und herwarf. Ich war stundenlang dem Wüten des Orkans ausgesetzt und doch hoffte ich auf ein gutes Ende. Mein Ende kam mit einer riesigen Sturzsee. Ich wurde aus dem Boot gerissen und trieb hilflos in der tosenden See. Mein letztes Stündlein schien gekommen zu sein, denn ich wurde bewusstlos. Aufgewacht bin ich auf einem Lager aus Palmblättern. Zuerst glaubte ich wirklich, dass der Himmel mich aufgenommen hätte, aber dann sah ich statt des weißbärtigen Petrus mehrere junge dunkelhäutige Schönheiten. Sie begrüßten mein Augenaufschlagen mit begeisterten Jubelrufen und redeten und redeten. Ich schloss meine Augen wieder - ich war zu erschöpft. Im Unterbewusstsein nahm ich wahr, dass man mir die nassen Sachen auszog. Auch merkte ich, wie mein Körper zu zittern begann, sich schüttelte und nach Wärme verlangte. Ich spürte, wie ein warmer Körper sich an mich schmiegte, mich umarmte und eine leise Stimme mich beruhigte. Meine Lebensgeister erwachten und mit der Wärme stieg mein Verlangen nach dieser dunkelhäutigen Schönen. Sie bemerkte sehr wohl meine Gedanken und half sehr geschickt und gekonnt; ich war glücklich. Sie erhob sich vom Lager, ich streckte meine Arme nach ihr aus, und ich hielt einen Frauenkörper in meinen Armen. Doch diese Frau roch anders, aber das Liebesspiel war das gleiche. Noch dreimal wiederholte sich meine „Wiedererweckung“, beim vierten Male streikte mein Körper. Jetzt wollte ich schlafen – nur schlafen. Doch die letzte der dunkelhäutigen Schönheiten behielt mich in den Armen. Mit ihrer Körperglut erwärmte sie mich und mit einem leisen Sing-Sang wiegte sie mich in den Schlaf.

Ich schlief bis zum Nachmittag und konnte mich dann an der Natürlichkeit der sechs Schönheiten erfreuen. Sie umsorgten mich, reichten mir nahrhafte Speisen und benahmen sich so anmutig, dass sie mein Herz erfreuten. Noch dazu, dass sie diese Arbeiten im Evakostüm verrichteten, ohne Scham – in natürlicher Anmut. Auch ich lag im Adamskostüm auf der Pritsche und schaute wiederholt besorgt auf den unteren Teil meines Körpers, wollte ich doch verhindern, dass meine Schönen meine Gefühlslage entdeckten. Als die Sonne glutrot über dem Meer unterging, reichte mir die Sechste einen Lebenstrunk, der, kaum, dass ich ihn genossen hatte, meine „Gefühle“ hochschnellen ließ. Zufrieden mit der Wirkung, legte sich die junge Frau zu mir und ihr recht üppiger Körper umschmeichelte meine Glieder. In dieser Nacht wich sie nicht von meinem Lager und noch heute, ich brauche nur an sie zu denken, rieche und schmecke ich sie. Ich nannte sie O-Oulu. Und eigentlich müsste ich noch viele O’s vor ihren Namen setzen – sehr viele.

Am nächsten Tag begann der Alltag. Ich half den Schönen, wo ich nur konnte, bemühte mich, ihre Sprache und Gesten zu verstehen und wähnte mich im Paradies. Jeden Abend teilte eine der Schönen mein Lager und an ihrem Geruch konnte ich sie mit geschlossenen Augen erkennen und meine Hände bestätigten die Annahme. Immer am 6. Tag umsorgte mich O-Oulu. An Schlafen war in diesen Nächten nicht zu denken. Dafür blieb am 7. Tag mein Lager leer.

In der dritten Woche meines Aufenthaltes auf dieser paradiesischen Insel kamen alle sechs Schönen aufgeregt zu mir, ergriffen meine Hände und führten mich der Küste entlang zu meinem Boot. Es lag auf einer Sandbank keine 100 m vom Strand entfernt. Ich schwamm zum Boot und mit mir alle meine sechs Freundinnen. Erleichtert stellte ich fest, mein Segler hatte die Sturzsee genauso gut überstanden, wie ich selbst. Ich musste nur das Wasser aus dem Boot schöpfen und konnte nach einer Stunde mit meinen Schönen das Boot von der Sandbank ziehen. An der Küste suchten wir eine kleine Bucht und dort vertäuten wir das Boot sicher an einer mächtigen Palme. Zurück im kleinen Dorf feierten wir die Auffindung meines Seglers mit einem Fest. Gereicht wurden berauschende Getränke, die sowohl bei den Frauen als auch bei mir enorme Wirkungen erzielten. In dieser Nacht wusste ich, wie ein Paradies auszusehen hat.

Die Bootsfindung erfolgte im richtigen Moment, denn keine Woche später weckten mich die Frauen und aufgeregt gestikulierend führten sie mich zum Strand. Dort am fernen Horizont konnte ich sechs festlich geschmückte Boote erkennen, und ich glaubte, den Singsang der Männer zu hören. Und als die Boote näher kamen, konnte ich am Bug eines jeden Bootes einen Mann erkennen, der im schillernden Federschmuck mit ausgebreiteten Armen dem Ufer entgegenstrebte.

Jetzt hieß es schnell, Abschied zu nehmen. Hinter der Düne umarmte ich meine sechs Gespielinnen und rannte - mich den Blicken der nahenden Männer entziehend - zu meinem Boot.

Unter enormer Kraftanstrengung schob ich das Boot in tieferes Wasser, hechtete mich in den Segler und nur mit dem Vorsegel schipperte ich dicht an der Küste entlang weg von meinen Schönen und den heranrudernden Männern.

Alles andere ist kurz und knapp erzählt. Ich erreichte die Hauptinsel dieses Archipels, nahm im kleinen Hafen Wasser und Nahrung auf und noch am selben Tag segelte ich in die Nacht – weg vom Paradies.

Später habe ich gelesen, dass bei manchen Insulanern es Tradition ist, dass sich die Mädchen auf sogenannten unbewohnten „Hochzeitsinseln“ auf die Ehe vorbereiten sollen. Ich glaube, eine bessere Vorbereitung für meine sechs Schönen konnte es nicht gegeben haben.

Der Erzähler schmunzelte.

Jetzt fragte einer aus der Männerrunde: „Hast du deine Schönen mal wiedergesehen?“

„Ja gesucht habe ich sie 30 Jahre später, aber … Auch habe ich Ausschau gehalten, ob ich meine Gesichtszüge bei 30-jährigen irgendwie wiedererkennen würde – nichts ist geblieben außer Erinnerungen.“

 

Im Seitenflur standen zwei Mädchen mit hochrotem Kopf, in weiße Kittel gekleidet –Praktikantinnen. Sie putzten eine Vitrinenscheibe, die bereits so blank war, dass jeder Spiegel vor Neid erblassen musste. Flüsterte die eine: „Was meinst du? Ist das wahr?“ Die andere zuckte mit den Schultern. „Auf dem Tagesplan steht für den Vormittag: Erzählung als Therapie. Hat er das alles erfunden oder doch erlebt? Ich weiß es auch nicht. Aber erzählen kann er schön!“

 

Ein anderer Mann aus der Männerrunde begann: „Also, ich muss euch unbedingt erzählen, wie ich meiner ersten Frau begegnet bin. Als junger Mann …“

„Heute nicht mehr, Dr. May. Morgen sind sie dran!“, sagte eine mit schnellen Schritten heraneilende Frau. Sie war die Ärztin und klatschte jetzt in die Hände. „Mädchen!“, rief sie. Jetzt zeigten sich die beiden Praktikantinnen. „Bringt unsere Herren in ihre Zimmer!“ Die beiden Mädchen schoben die zwei Rollstühle und vier weitere Herren wackelten auf ihren alten Beinen den beiden Mädchen hinterher. 

 

Die Geschichte, die Dr. May erzählt, können Sie hier lesen!