Amouröses (Geschichten über die Liebe)

Der Versager

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 von Joachim Größer (2017)

 

„Nachdem der Max uns gestern mit seiner Lebensgeschichte traurig gemacht hat, so will ich euch heute mit meiner Leidens- und Liebesgeschichte erheitern!“ So sprach der Alte, den seine Altersgenossen nur den Ökonom nannten.

 

Also Männer, ich war bereits 30 und … und ich war noch Jungfrau! Stellt euch vor, mit dreißig Jahren noch nie Sex gehabt zu haben. Andere Männer haben schon 4 oder 8 Kinder gezeugt und ich …! Nicht dass mein Körper krank war – alles war bei mir in bester Ordnung. Ich malte mir in meiner Fantasie ein schönes Mädchen aus und mein „bestes Stück“ war zum „Kampf“ gerüstet.

Aber mit 16 Jahren erkannte ich mein Problem. Ein wunderschönes Mädchen hatte ich erobert. Ihre Küsse schmeckten nach mehr und sie wollte mir auch das „Mehr“ gewähren. Eine laue Sommernacht, eine weiche mit Moos gepolsterte Wiese, zirpende Grillen, Mondschein – was gibt es Schöneres?! Ich bedeckte ihre Lippen, ihre Wangen, ihren Hals, ihre Brüste mit heißen Küssen. Mein Mädchen „schmolz“ dahin. Es sollte mein „erstes Mal“ werden. Doch … Was vor wenigen Minuten noch stark und mächtig war, fiel in sich zusammen. Ich empfand dies als Schmach und mein Mädchen als Missachtung ihrer Hingabe. Das Liebesglück verschwand und hinterließ einen Jungen, der die Welt nicht mehr verstand. „Wieso? Wieso?“, schrie ich auf meiner Wiese in dieser lauen Sommernacht. „Wieso?!“

Aber ich war ja ein Kämpfer. „Beim zweiten Mal klappt es schon!“, redete ich mir ein.

„Bestimmt beim dritten Versuch!“ Aber - ich machte immer einen großen Bogen um meine Ex-Freundinnen.

Abitur, Studium der Finanzökonomie, erste Anstellung beim Finanzamt. All die vielen Jahren blieb es so, wie bei meinem ersten Mal. Kaum wollte ich die Liebe genießen, mich den Freuden des Liebesspieles hingeben, schon geschah es: Ich war nicht mehr zum Liebesakt fähig! Ich vergrub mich in meine Arbeit. Zahlen wurden meine Liebe – Zahlen!

Meine Vorgesetzten lobten mich und beförderten mich. Bereits mit 28 Jahren war ich ein wichtiger Abteilungsleiter und von jedermann akzeptiert.

Nachdem ich mich entschloss, in einer größeren entfernten Stadt ein spezielles Haus aufzusuchen, hoffte ich, dass die Sex-Profis mich „heilen“ könnten. Ich suchte eine hübsche, erfahrene Dame in ihrem Zimmer auf und beichtete ihr mein Leid. Sie: „Wir schaffen das schon!“ Und sie „hauchte“ mir soviel Zuversicht ein, dass ich ihr voll vertraute. Ihr vertraute ich – mein Vertrauen zu mir war mäßig.

Am Morgen verabschiedete sie mich mit einem Küsschen: „Bleibst eben ein hübscher Hagestolz!“

Ein Hagestolz – das war meine Perspektive. Ich kramte meine alten Schulkenntnisse hervor, um mir aus der Geschichte berühmte Hagestolze als Vorbild zu wählen. Friedrich II. – genannt Friedrich der Große war zwar verheiratet und hat doch nie die Ehe im Bett vollzogen. Er wurde zum Frauenhasser und zum berühmten absolutistischen Herrscher – der König von Preußen, der europäische Geschichte schrieb!

Und noch ein Hagestolz fiel mir ein: Wilhelm Busch - als Zeichner und Sprücheschreiber ein Ass. Ein Mann mit viel Humor, der aber in seinem Leben immer als ernst und verschlossen galt.

Und ich? Was werde ich für ein Hagestolz sein?! „Ich will aber keiner sein!“, hämmerte ich mir in meinen Schädel ein - und entschloss mich, einen Psychiater aufzusuchen.

Damals hießen Psychiater noch Nervenärzte und ich stand jetzt vor einem schönen Haus in der Innenstadt und las die vielen Schilder, die verkündeten, wer in diesem Haus sein Brot womit verdiente. Mein Nervenarzt hieß Dr. Johann Schulze und nahm Patienten nur nach vorheriger Anmeldung und Terminvergabe auf. Da keine Telefonnummer angegeben war, musste man sich wohl persönlich einen Termin holen. Also – hinauf in den 2. Stock. Die Tür war verschlossen. Was tun? Klar - klingeln! Und das tat ich ausgiebig. Ein Summton – die Tür sprang auf und ich betrat das „Heiligtum“ eines Nervenarztes. In diesem Moment fiel mir ein, dass man diese Ärzte früher auch Irrenarzt nannte. Also war ich irre? Verrückt? Schon wollte ich mich zum Gehen entscheiden, als eine fröhliche und klare Stimme mir zurief: „Kommen Sie bitte weiter! Hier ist die Anmeldung!“

Und diese Anmeldung war wirklich reizend. Eine Brünette, schätze 24, höchstens 25 Jahre, tolle Figur (ihre Brüste dürsteten nach Liebkosungen) – diese Brünette lächelte mich an und fragte nach meinem Begehr. Wenn ich jetzt ehrlich gewesen wäre, hätte ich antworten müssen: „Sie!“

Sie war wirklich begehrenswert! Aber ich antwortete: „Ich möchte einen Termin beim Doktor.“

Sie: „Mit welchem Problem?“

Ich: „Das möchte ich dem Herrn Doktor persönlich sagen!“

Sie: „Sie können es mir auch sagen. Ich bin auch zum Schweigen verpflichtet.“

Ich: „Ich sag’s dem Doktor.“

Sie leicht gekränkt: „Bitte den Bogen ausfüllen – alles!“

Ich bekam Papier, Kuli und riskierte noch einen Blick auf ihren Ausschnitt. Dann setzte ich mich auf einen der leeren Stühle, aber so, dass ich sie im Blick behielt. Jetzt konnte ich auch das Schild auf dem Tresen lesen: Frl. Marie-Luise.

Fräulein hieß damals noch nicht verheiratet sein, also frei für meine Eroberung. Und ich merkte ein gewaltiges Rumoren in meiner Hose. Welches aber sofort wieder verschwand, als ich den Grund für meinen Besuch auf dem Papier eintragen sollte. Da auf dem Papier nichts freibleiben durfte, schrieb ich fein säuberlich in die Spalte: Persönlich!

Neugierig überflog mein Frl. Marie-Luise meine Angaben. Als sie meine Bemerkung „Persönlich!“ las, blickte sie zu mir auf und ich lächelte sie an: „Alles ausgefüllt, Fräulein Marie-Luise!“

Und das Fräulein Marie-Luise streckte den Busen und verkündete betont sachlich: „Ein Patient hat abgesagt. Wenn Sie 20 Minuten Zeit hätten, könnten Sie seinen Termin übernehmen.“

Klar hatte ich Zeit. Ich gehörte bereits in die Gruppe der Beamten, die niemandem über ihre Arbeitszeit Rechenschaft ablegen mussten.

Also: „Ich warte gern bei Ihnen, Fräulein Marie-Luise!“

Sie: „Bitte nehmen Sie Platz!“

Ich wartete und da es in diesem Raum nichts Schöneres gab, als dieses Fräulein, betrachtete ich sie. Ich muss ehrlich gestehen, ich zog sie mit meinen Blicken aus. Und ich spürte einen gewaltigen Druck in meiner Hose.

Aber auch sie musterte mich. Wahrscheinlich wollte sie ergründen, welche Hilfe oder Heilung ein 30-jähriger von einem Irrenarzt erwartete.

Sie beschäftigte sich noch mit meinem ausgefüllten Fragebogen und übertrug die Angaben in eine Kartei. Unvermittelt fragte sie: „Verheiratet, Herr Müller?“

Mit einem Lächeln antwortete ich: „Nein!“

Jetzt kam es mir vor, sie hatte mehr erwartet als ein „Nein!“ Sie blickte mich durchdringend an. Wollte sie so erkunden, warum ich zu einem Nervenarzt gehe? Oder war sie neugierig geworden? Gefiel ich ihr als Junggeselle jetzt vielleicht besser?

Leider drehte sie sich von mir weg, sodass ich meine Gedanken auf den Arztbesuch lenkte. Wie soll ich dem Arzt mein Problem erklären? Mache ich mich vielleicht lächerlich? Sollte ich das Problem doch nicht mit dem Arzt zur Lösung bringen und hoffen, dass …

Das Fräulein Marie-Luise drehte sich wieder zu mir um. Lächelnd meinte sie: „Es kann nur noch einige wenige Minuten dauern.“ Und wie sie so freundlich mich anlächelte, wollte ich dieses Fräulein zu meiner Frau machen. Und dieser Weg ging nur über den Irrenarzt! „Ich muss vollkommend ehrlich zum Arzt sein!“, sagte ich zu mir. „Sonst bleibe ich ein Hagestolz!“

Fünf Minuten später saß ich einem freundlich lächelnden Mann gegenüber. Kaum fragte er, was das „Persönlich!“ zu bedeuten habe, fing ich auch schon an zu reden. Ich redete mir den ganzen Frust von der Seele und er hörte geduldig zu. Ich endete meinen Gefühlsausbruch mit den Worten: „Helfen Sie mir Doktor! Ich möchte eine feste Beziehung, die Freuden der Liebe genießen. Ich möchte ein nette Frau finden, eine Familie gründen und Kinder haben. Bitte, helfen Sie!“

„Für heute habe ich genug erfahren. Jetzt schauen wir noch, ob medizinisch alles in Ordnung ist. Wer ist ihr Hausarzt?“

Da musste ich passen. Ehrlich, ich war noch nie so krank, dass ich einen Arzt brauchte.

„Ist nicht schlimm! Fräulein Marie ist examinierte Krankenschwester und Laborantin. Machen Sie mit ihr einen Termin und dann sehen wir uns wieder.“

Ehe der Doktor mich zur Tür mit Handschlag verabschieden konnte, muss ich ihn so verzweifelt angesehen haben, dass er mich versuchte, aufzuheitern. „Ich vermute, ihr Problem ist nur ein ‚Kopfproblem‘, Herr Müller. Sie sind wie ein Rennpferd; wären Sie ein Ackergaul hätten Sie Sex ohne Ende.“

Er lächelte mir zu: „In einigen Tagen sehen wir uns, Herr Müller.“

Jetzt stand das „Rennpferd“ Hannes Müller im Vorraum und überlegte, wie er zum „Ackergaul“ werden könnte. Fräulein Marie-Luise wollte helfen.

„Und?“, fragte sie.

Ich: „Sie möchten an mir eine medizinische Untersuchung durchführen, Fräulein Marie. Der Arzt möchte wissen, ob bei mir alles in Ordnung sei.“

Sie: „Eine spezielle oder allgemeine Untersuchung?“

Ich: „Schätze, schon sehr speziell!“

Sie: „Um welches Krankheitsbild handelt es sich?“

Ich: „Der Doktor meint, ich sei ein Rennpferd, sollte aber besser ein Ackergaul sein!“

Sie: „----?“ Ihren Blick deutete ich so, dass sie annahm, ich wäre beim Irrenarzt bestens aufgehoben.

Ich bekam einen Termin nach Feierabend und das schon für den nächsten Tag. Ich verabschiedete mich mit einem wirklich freundlichen Lächeln und riskierte noch einen Blick in ihren Busenausschnitt.

Die Nacht war furchtbar. Ich träumte von meinem Fräulein Marie-Luise und mein Sex im Traum mit ihr – er war traumhaft! Und bitte beachtet Freunde: nicht traumhafter Sex!

Die medizinische Untersuchung am nächsten Tag ergab: Alles ist bestens in Ordnung!

Bei dieser Untersuchung bin ich dem Fräulein Marie öfters sehr nahe gekommen. Ich roch sie und mein Gehirn meldete: Das ist die Richtige! Auch sie war um Körperkontakt zu mir interessiert. Sie schien nicht abgeneigt – und ich sowieso nicht.

Der Termin beim Arzt brachte mir eine Sitzung ein, indem mein Nervenarzt mein „Innenleben“ kennenlernen und beeinflussen wollte. Ich wurde hypnotisiert. Ich fragte: „Stimmt bei mir irgendetwas nicht?“ und der Arzt beruhigte mich: „Es ist alles so, wie es bei einem jungen Mann sein sollte.“

Mehrmals wurde ich noch hypnotisiert. Nach seiner Aussage wollte er den berühmten „Schalter“ in meinem Gehirn von „blockieren“ auf „sexuelle Erfüllung“ umlegen.

Das war zwar alles recht interessant, aber viel interessanter war da doch das Fräulein Marie-Luise. Ich kam immer früher zu den Terminen. Ich schaute sie immer hoffnungsvoll an. Sie lächelte mich immer an und schwieg – d. h., sie beschäftigte sich sehr mit den Unterlagen.

Dann kam der Tag, an dem mein Nervenarzt meinte: „Herr Müller, ich kann jetzt nichts mehr für Sie tun. Suchen Sie sich ein nettes Mädchen und vollenden Sie meine Therapie.“

Ich war sehr enttäuscht von meinem Arzt und deshalb kam ich wieder. Und er: Jetzt musste ich ihm alles aufzählen, was er mir in den Sitzungen beigebracht hatte.

„Auf  nimmer Wiedersehen!“ Die Verabschiedung war deutlich. Doch ich saß bereits am nächsten Tag wieder in seiner Sprechstunde. Zur Strafe ließ er mich sitzen und sprach kein einziges Wort mit mir. Am Ende der „Sitzung“ gab es schwerwiegende Worte: „Herr Hannes Müller, Sie gehen jetzt zur Anmeldung und laden Fräulein Marie zu einem Abendessen ein. Fräulein Marie wird hoffentlich nicht ‚nein‘ sagen. Ich gehe davon aus, dass sie innerlich jubilieren wird. Diese Verabredung ist auch für mich sehr wichtig. Falls es Ihnen nicht aufgefallen ist, das Fräulein Marie zieht jedes Mal, wenn Sie zur Sprechstunde kommen, ein neues Kleid an. Soviel kann ich ihr aber nicht für ihren Modefimmel bezahlen – den Sie zu verantworten haben. Und also muss ich zusehen, wie sich das hübsche Fräulein Marie wegen Ihnen ins finanzielle Unglück stürzt. Haben Sie das verstanden?!“

Der Arzt schaute mich so unverwandt an, dass mir hinterher bewusst wurde: Er schickte mich hypnotisiert zu meiner Angebeteten.

Ich ging und fragte und sie sprach mit einem zauberhaften Lächeln: „Aber sehr gern, Herr Müller! Ich freue mich!“

Abendessen in einem feinen Restaurant, der erste Kuss vor der Tür als Dankeschön für das schöne Essen, Musik in naher Ferne – mein Gehirn in Hochspannung verkündete mir: Lade die Hübsche zum Tanz ein. So hast du sie länger bei dir und sogar in deinen Armen!

Wir tanzten bis nach Mitternacht. Sie schwebte einer Elfe gleich in meinen Armen. Leider haben ihre Schuhe sehr unter meinen Schuhen gelitten. Aber das Fräulein Marie ertrug das tapfer. Tapfer war sie auch, als wir nach 1 Uhr nachts keine Fahrgelegenheit mehr fanden. Eine Stunde laufen? „Wo wohnst du?“, fragte sie. „10 Minuten von hier“, erwiderte ich.

„Hast du was dagegen, wenn ich bei dir schlafe?!“

Natürlich hatte ich nichts dagegen. In meiner kleinen Wohnung gab es zwar ein Bett, aber keine Schlafcouch. Ich bot ihr mein Bett an und ich wollte es mir im Uraltsessel bequem machen. Und so machten wir das auch. Keine fünf Minuten später rief mich Marie: „Hannes, mir ist so kalt! Komm ins Bett und wärme mich!“

Und schon huschte ich unter die Bettdecke. Ich presste meinen heißen Körper an ihren kalten – und sie war wirklich eiskalt. Das Sommerkleidchen war wohl nicht warm genug für eine kühle Sommernacht. Sie kuschelte sich an mich, sie umarmte und küsste mich, dass mir die Sinne schwanden. Unbewusst bemerkte ich, dass sie ihre Unterwäsche ausgezogen hatte und bewusst wurde mir klar, dass ich jetzt dasselbe tat. Eine heiße Umarmung – ich spürte, wie sie sich öffnete und mich umschloss. Ich hatte meinen ersten Sex! Ich bleibe kein Hagestolz!

Erschöpft lagen wir schwer atmend im Bett. Sie flüsterte in mein Ohr: „Es war wunderschön! Ich möchte noch mal!“ Und ehe ich mich besinnen konnte, umfasste sie mein bestes Stück und das tat, was ich von ihm erwartete. Es war das höchste Liebesglück in meinem bisherigen so lustlosen und sexfreien Leben.

Zum Schlafen kamen wir in dieser Nacht nicht. Ich verabschiedete sie an der Bushaltestelle mit einem langen Kuss. „Sehen wir uns heute nach Feierabend?“

„Ich warte vor der Praxis!“ Ich winkte ich noch zu und freute mich auf den Abend.

Auf der Arbeit wurde ich kritisch beäugt. „Herr Müller, haben Sie sich eine Sommergrippe zugezogen?! Sie sehen ja fürchterlich aus!“

Ich schaute auf der Toilette in den Spiegel. Dunkle Augenringe prägten mein Gesicht. „Es war herrlicher Sex!“, dachte ich und lächelte verschmitzt meine Augenringe weg. „Die Marie ist eine herrliche Sommergrippe! Und heute Abend …“ Doch jetzt musste ich erst arbeiten.

Viel zu früh stand ich vor der Praxis. Hinauf gehen wollte ich nicht; ich wollte nicht meinem Arzt begegnen!

Ich hatte Zeit zu sinnieren. Marie war meine Leidenschaft, und wenn ich an die letzte Nacht denke, dann komme ich ins Grübeln, ob soviel Sex gut für mich sei. Hatte nicht der olle Luther vor fast 500 Jahren solch weisen Spruch getan, wie oft man Sex haben sollte?!

Wie ging der nur? Ja, ich hab‘s:

           In der Woche zwier,

           schaden weder ihm noch ihr,

           und macht im Jahr einhundertvier!

Wenn ich an die letzte Nacht denke, erfülle ich mit meiner Marie diese Vorgabe bereits in einem viertel Jahr – und das mit allen Freuden dieser Welt. Rechnen konnte Luther, aber als Mönch hatte er wohl nicht viel Ahnung von der Liebe. Wieso soll zu viel Sex schaden? Zu viel Sex mit meiner Marie?! Nie! Und heute Abend ….

„Guten Abend, Herr Müller!“ Mein Arzt stand vor mir. „Wollen Sie etwa zu mir? Für Sie habe ich keine Zeit mehr! Sie wissen doch …“

„Nein, nein Herr Doktor! Ich warte auf Fräulein Marie-Luise!“

„So?!“ Dr. Schulze prüfte mich. „Dann einen schönen Abend, Herr Müller!“

Keine fünf Minuten später hielt ich eine strahlende Marie in meinen Armen. Ach kann Liebe schön sein. Und die Nächte verschönerten wir uns mit unserem großen Verlangen.

Am Wochenende führte ich Marie ins Kino aus. Ein „schmalziger“ Liebesfilm – aber er gefiel uns. Spiegelte er doch unseren gegenwärtigen Zustand wider. Ein schönes Abendessen und Marie lud mich zu sich ein. In der Vorstadt stand sie vor der Haustür und flüsterte: „Wir müssen leise sein. Mein Vermieter braucht nicht zu wissen, dass du mit auf mein Zimmer kommst.“

Auf Socken schlich ich hinter Marie die Treppe hoch – zu ihrer Mädchenkammer. Erst als die Türe geschlossen war, sagte Marie lächelnd: „Jetzt gehörst du mir! Du bist in meinen Fängen!“

Ich liebe solch eine Gefangenschaft! Auch „erpresste“ sie von mir die Zusage, dass wir noch in diesem Jahr heiraten könnten. Ich liebe solche Erpressungen! Und besiegelt wurde der Pakt in aufgewühlten Betten.

Am Morgen wurden wir durch lautes Klopfen geweckt. „Zimmerservice! Frühstück für die Herrschaften!“

Nackt saßen wir im Bett und nackt saß ich meinem Nervenarzt gegenüber. „Ich hoffe, die Herrschaften hatten eine gute Nacht?!“

Sie: „Papa!!!“

Ich: „Papa?“

Er: „Der Papa von dem reizenden Fräulein Marie-Luise!“

Sie: „Leider! Er will mich unter die Haube bringen!“

Ich: „Aber, wir wollen doch noch in diesem Jahr …“

Er: „Heiraten?! Herr Hannes Müller, Sie müssen aber erst den Papa fragen!!

Ich: „Ich liebe Ihre Tochter!“

Er: „Wie viel Kinder?“

Ich: „Vier!“

Sie: „Zwei!“

Er: „Also drei! Hochzeit genehmigt! Zu Maries Geburtstag ist die Verlobung! Weihnachten wird geheiratet! Ostern wird getauft!“

Und mein Arzt rief mir zu: „Komm in meine Arme, mein lieber Schwiegersohn!“

Und ein splitternackter Hannes Müller erhob sich aus dem Bett und begab sich in die Arme des Irrenarztes! Es war herrlich!

„Das Frühstück zur Stärkung! Und bitte, Ostern soll Taufe sein. Ich will Opa werden! Opa!!!“

Und Marie klärte mich jetzt erst einmal auf. Als sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatte, begann sie ihre Karriere im Kreiskrankenhaus. Doch schon nach einem Monat kündigte sie. Ihre Mutter hatte einen tödlichen Verkehrsunfall und ihr Vater war am Boden zerstört. Für die Arzt-Praxis fehlte jetzt auch eine Arzthelferin. Und Marie ersetzte ihre Mutter als Arzthelferin.

 

"Freunde", rief der Ökonom, "fünfundvierzig Jahre war ich mit meiner Marie glücklich verheiratet. Opa Schulze hörte fünfmal das Wort „Opa“! Und er war glücklich – so gestand er es mir einmal – ,dass ein 'gestörter' Hannes Müller seine Hilfe brauchte. Ich wurde den Gedanken nicht los, er hat ganz schön im Hintergrund die 'Strippen gezogen'! Seine Tochter, meine Marie, hatte immer Angst, dass ihr Vater ohne ihre Hilfe nicht klar kommen würde. Und mein Schwiegervater wollte immer, dass Marie eine Familie gründet. Mit mir!!! Gott sei Dank! Mit mir!"

 

Die Alten erhoben sich von ihren Stühlen. Der Kapitän fasste die Meinung aller Männer zusammen: „Eine wunderschöne Liebesgeschichte! Ökonom, du warst ein Glückspilz!“

Die Männer begaben sich in ihre Zimmer. Eine Praktikantin drängte zum Ökonom. „Herr Müller, dürfte ich Sie was fragen?“

„Aber ja, Mädchen! Raus mit der Sprache!“

„Mein Freund ist wie Sie ein Rennpferd und kein Ackergaul! Jetzt will er mit mir Schluss machen. Er schämt sich. Aber ich liebe ihn. Er ist wirklich prima und wir passen gut zusammen. Würden Sie mal mit ihm reden?!“

„Mache ich gern! Aber heute ist dieses Problem etwas einfacher zu lösen. Du nimmst deinen Freund und ihr beide geht zum Arzt und lasst euch beraten. Meine Geschichte erzähle ich ihm trotzdem. Bring ihn nur mal mit!“

 

Die nächste Geschichte - sie heißt "Der Blaustrumpf" - können Sie hier lesen!