Fantastische Reisen in die Zukunft: 6. "Die Gegenwart ist die Zukunft!"

6. Die Gegenwart ist die Zukunft!

............................................................

(von Joachim Größer)

 

Die erste Überraschung erlebten die Jungs, als sie wieder in der Gegenwart waren. Martin, der seinen Ferrari krampfhaft festgehalten hatte, bekam vor Überraschung den Mund nicht zu. Sein Auto war weg, auch Antons Chronometer hatte sich in der Gegenwart aufgelöst – oder war alles nur in der Zukunft geblieben.

Martin drang darauf, nochmals in die Zukunft zu gehen. Er wollte wissen, ob sein Geschenk am magischen Stein des Jahres 3010 lag. Also redete er solange auf Anton ein, bis der meinte: „Na los, hier regnet es sowieso.“

Zurück in die Zukunft! Aber der Ferrari und der Zeitmesser blieben verschwunden. Am Stein lagen sie nicht. Sie hatten sich so aufgelöst, als wären sie aus dem Nichts geschaffen worden und sind nun wieder zum Nichts geworden.

Den Menschen aus dem Jahre 3010 konnten sie dieses auch nicht mehr mitteilen, denn just in diesem Moment startete die große Kugel mit Kalida, Kori, den Eltern und dem Urgroßvater Kiron und verschwand schnell am Horizont.

„Martin, dafür gibt es ein Sprichwort: ‚Wie gewonnen, so zerronnen!‘ Frage mich aber nicht, warum wir die Geschenke nicht mit in die Gegenwart nehmen konnten. Ich weiß es nicht. Es könnte mit diesem seltsamen schwarzen Nichts zu tun haben. Aber selbst die beiden Kirons konnten dieses Rätsel nicht lösen. Unsere Reisen in die Zukunft oder Vergangenheit sind schon verrückt genug.“

„Aber zugeben musst du, sie sind interessant. Oder – Anton?“

„Ja, da hast du recht. Na, nächste Woche holen wir Kalida ab. Bin neugierig, wie ihr unsere Gegenwart gefällt. Machen wir uns zurück in die Gegenwart? In den Regen?“

Martin nickte und zog sogleich die magischen Zahlen nach.

Der Wochenstart brachte für Anton eine Überraschung. In der AG Computer lernten die Teilnehmer, einen virtuellen Computer zu installieren. Auch einen Gast hatte ihr Lehrer mitgebracht, der der Stunde beiwohnte. Nur soviel verriet der er seinen Schülern, dass der Gast ein Fachmann für solche virtuelle Prozesse sei und dass er am Ende der Stunde eine Überraschung parat hätte.

Aber zuerst hieß es lernen - lernen, dass ein virtueller Computer eine virtuelle Maschine sei, die nur eine Realität vorgaukelt, obwohl der Betrachter sie als wahr wahrnehme. „Merkt euch“, mahnte der Lehrer, „der virtuelle Computer ist der Möglichkeit nach vorhanden, scheinbar vorhanden. Wer könnte das einfacher ausdrücken?“

Der Lehrer schaute seine 12 Schüler an. „Na, wer hätte eine Idee?“

Anton durchzuckte es: Hatte nicht Kiron, Kalidas Vater, von einer virtuellen Welt, die doch real sei, gesprochen?

Er hob zögerlich die Hand. „Anton? Na los, versuch es. Sag es mit deinen Worten!“

Anton begann stockend: „Man nimmt das Nichts, formt daraus die reale Welt, die aber nur ein Nichts sein kann. Wir nehmen das aber nicht als Nichts wahr, sondern sehen das Reale und das ist das Nichts.“ Anton zögerte. Dann setzte er nach: „Nee, das kann doch nicht sein? Oder?“

„Doch! Ja, es ist richtig Anton!“ Der Lehrer strahlte. „Einfacher ist es zwar nicht formuliert, aber du hast mit diesem Nichts den Nagel auf dem Kopf getroffen. Oder?“ Der Lehrer wandte sich dem Gast zu. Der nickte zustimmend und bemerkte lächelnd: „Eine wirklich prima Erklärung – schon fast philosophisch!“

Und hocherfreut wandte sich der Lehrer zu seinen Schülern: „Und für eure Notizen diktiere ich: ‚Virtueller Computer – Doppelpunkt – der Möglichkeit nach vorhanden – Komma - scheinbar – Semikolon – virtuelle Realität – Klammer auf – vom Compter simulierte Wirklichkeit – Klammer zu – Definition entnommen Duden – Punkt.“

Anton schrieb wie alle anderen, doch in seinem Kopf hämmerte es: „Dann hat ja Kalidas Vater recht mit der Annahme, es sei eine virtuelle Welt. Nur wer schafft sie – diese nicht vorhandene und doch real sichtbare Welt? Und wie komme ich mit Martin da hinein?“

Nur noch mechanisch beteiligte sich Anton am Unterricht. Er schrieb zwar auch in sein Heft: „Eine virtuelle Maschine erhöht die Sicherheit. Sinnvoll ist es, Software-Programme im virtuellen Computer zu testen.“ Auch richtete er gespannt seine Aufmerksamkeit auf den Gast, der eine Einladung ins Forschungsinstitut aussprach. Schon morgen Nachmittag wollte der Fremde die Schüler der AG bei sich im Institut begrüßen. Doch viel interessanter als alles, was er heute gesehen und gelernt hatte, war für Anton das Problem: „Wie komme ich mit Martin in diese virtuelle Welt?“ Und sofort hängte er die zweite Frage nach: „Ist das denn real?“ Und auf dem Weg nach Hause durchzuckte es ihn wie ein Blitz: „Ja, dann wären ich und Martin auch nur scheinbar vorhanden und doch nicht real?“

Dass er real war und eine mächtige Schramme sein Knie verzierte, sah er, als er nach dem Sturz sich auf dem Boden wiederfand, neben ihm sein Fahrrad mit einer mächtigen Acht im Vorderrad. Ihm gegenüber saß ein Mädchen auf dem Boden. Nicht älter als er war sie, dieses Mädchen, welches Anton sofort bekannt vorkam. Sie rieb sich das Bein und fuhr Anton an: „Hast du denn keine Augen im Kopf?! Wie alt bist du denn?! Darfst du denn schon Fahrrad fahren?!“

Und ihr Augen blitzten zornig und dem Anton durchfuhr ein Gedanke: „Das ist ja Kalida!“

„Entschuldige, Kalida“, sagte Anton leise und starrte seine Freundin aus dem Jahre 3010 an.

Doch die fauchte nur: „Wer ist hier Kalida? Meinst du etwa mich damit? Ich heiße Karina!“ Und Karina schöpfte neuen Atem und Anton musste einen neuen Schwall an Worten über sich ergehen lassen.

„Das Fahrrad hab ich erst zu meinem 14. Geburtstag bekommen. Guck dir diese Schramme am Rahmen an und einen Platten hab ich jetzt auch. Dann ist doch das Vorderrad auch beschädigt, oder? Und wer ersetzt mir den Schaden? Du vielleicht?!“

„Ja – ich repariere dein Rad! Versprochen! Das ist nicht schlimm, das kriege ich hin, Karina.“

Anton erhob sich und reichte dem Mädchen die Hand. „Ich helfe dir nach Hause. Hast du es weit?“

Karina war jetzt sehr versöhnlich: „Nein, etwa hundert Meter und rechts um die Ecke. Aber mit deinem Rad kannst du auch nicht mehr fahren.“

„Ich schließe es am Baum an und hole es auf dem Rückweg ab. Ich schiebe es dann nach Hause.“

So brachte Anton das Mädchen Karina, welches wie seine Freundin Kalida aus dem Jahre 3010 aussah, nach Hause. Er betrachtete das Mädchen von der Seite und stellte für sich fest: „Genauso sah Kalida aus. Sie war nur größer als ich es bin. Karina ist aber einen halben Kopf kleiner – aber sonst?!“

Karina bemerkte Antons prüfenden Blick und fragte sogleich: „Ist was? Warum starrst du mich so an?“

Verlegen stotterte Anton: „Nein, nein! Du kommst mir so bekannt vor!“

„So? In welche Schule gehst du denn?“

In dem Gespräch erfuhr Anton, dass das Mädchen erst vor Kurzem hierher gezogen sei. Ihr Vater sei ein Entwicklungsingenieur und habe eine Anstellung im Forschungsinstitut gefunden.

„Kalida – Karina – Vater – Forschungsinstitut – Entwicklungsingenieur – virtuelle Welt – reale Welt – Stein mit magischen Zeichen“ Dem Anton schwirrten die Gedanken durch den Kopf. Er müsste sie ordnen – nur dazu hatte er jetzt keine Zeit. Sie standen vor dem Haus und Karina öffnete die Garage. „Was brauchst du, …? Wie heißt du überhaupt?“

Und als Anton antwortete, fragte sie nochmals: „Was brauchst du, Anton?“

„Flickzeug und eine Pumpe.“ Karina ging zu einem Regal und brachte einen Kasten und eine Luftpumpe. „Hier müsste alles drin sein.“

In diesem Moment trat eine Frau zu ihnen, die Karina als ihre Mutter ansprach. Karina erklärte ihr, warum ein fremder Junge in der Garage ihr Fahrrad repariert. Anton schaute zur Frau und begrüßte sie – und er erschrak wieder.

„Diese Frau kenne ich! Es ist Kalidas Mutter!“, dachte Anton. Doch so wie Karina zeigte auch ihre Mutter kein Anzeichen dafür, dass sie Anton kennen würde.

Karinas Mutter sagte noch: „Hol deinem Freund ein Glas Saft aus dem Kühlschrank.“

„Mach ich, Mam“, erwiderte Karina. Und dann fragte sie noch: „Ist Kori schon zu Hause?“

„Kori – Kalida – Kalidas Mutter! Ich kenne sie alle!“ Dem Anton standen jetzt die Schweißtropfen auf der Stirn.

„Die Zukunft ist die Gegenwart!“, dachte er. Das sagte er aber nicht der Karina. Die fragte er nur: „Ist Kori dein kleiner Bruder?“

„Ja, woher weißt du?“

„Ach nur so. Ist aber ein seltsamer Name!“

„Ach, mein kleiner Bruder heißt Konrad. Aber als kleiner Junge konnte er Konrad nicht aussprechen. Er sagte immer Kori zu sich. Das wurde dann sein Name. Du kannst ihn gleich kennenlernen. Dort kommt er!“

Und es kam der Kori, und der achtjährige Junge sah so aus, wie er ihn im Jahre 3010 kennengelernt hatte. Und er war genauso altklug und nervend wie im Jahre 3010.

„Warum reparierst du das Rad meiner Schwester?“ - „Hast du sie absichtlich angefahren?“ - „Kannst du mein Fahrrad auch reparieren?“ - Magst du meine Schwester?“ - „Hast du sie schon geküsst?“ - „Die Karina ist schön – stimmt’s?“

Für die letzten Fragen hätte sich Kori fast eine Ohrfeige seiner Schwester eingehandelt. Aber er hatte sich schnell außer Reichweite begeben. Dafür hinterließ er in der Garage zwei Vierzehnjährige, die mit hochrotem Kopf sich übers Fahrrad beugten.

Nach kurzer Pause fasste sich dann Anton ein Herz und bemerkte so nebenbei: „Also recht muss ich dem Kori geben – er hat wirklich eine hübsche Schwester.“

Karina wurde im Gesicht dunkelrot, stand auf und sagte schnell: „Ich hol was zum Trinken.“

Das Vorderrad war repariert, der Saft war ausgetrunken, so blieb dem Anton nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden. „Die Schramme mache ich dir auch noch weg. Ich habe zu Hause einen Lackstift. Wann kann ich das machen?“

„Morgen?“

„Morgen geht es nicht. Unsere AG ist ins Forschungsinstitut eingeladen. Aber übermorgen?“

Karina lächelte zustimmend und Kori, der vom Fenster her das Gespräch belauscht hatte, krähte herunter: „Bringst du mir auch was mit, Junge?!“

„Kori!“, fauchte Karina. „Verschwinde vom Fenster und mach deine Hausaufgaben!“

„Hab keine auf!“

„Dann verschwinde trotzdem!“

„Willst du den Jungen jetzt küssen?“

„Konrad!!!“

Kori verschwand. Karina entschuldige sich verlegen für ihren kleinen Bruder und sagte dann: „Also bist übermorgen! Um drei?“

„Ich bin pünktlich!“, antwortete Anton und trabte frohen Herzens zu seinem Fahrrad.

Zu Hause brauchte er viel Zeit, um sein Vorderrad so einigermaßen wieder fahrbar zu machen. Aber fahren konnte er damit erst einmal.

Nur kurz vor dem Schlafengehen konnte er Martin seine Erlebnisse des Nachmittags erzählen, und der Martin spitzte nun die Ohren und meinte mehrmals: „Wirklich Anton? Wirklich?!“

Anton fieberte dem Nachmittag entgegen. Endlich stand die AG-Gruppe vor einem unscheinbaren Haus und wartete auf den Einlass. Der gestrige Gast war auch heute ihr Begleiter und führte die Schüler in das Studio. Hier erhielten sie eine Einführung in das Forschungs- und Arbeitsprogramm des Institutes. „Alles kann ich euch nicht zeigen. Das müsst ihr verstehen. Erstens ist so manches noch nicht ausgereift und zweitens dürfen wir unsere Forschungsergebnisse nicht einfach so zeigen. Denn damit müssen wir Geld verdienen, das heißt auch Patente anmelden, Abnehmer für unsere Technik und Software finden und unseren Kunden einen vorbildlichen Service bieten. Ein Projekt haben wir jetzt abgeschlossen – und das mit großem Erfolg. Für unser kleines Institut heißt das, wir bestimmen in Zukunft entscheidend das Niveau in der Branche mit. Jetzt …“

Ihr Lehrer unterbrach den Redner: „Entschuldige Georg, zum Verständnis möchte ich meinen Schülern noch etwas sagen. Ihr habt doch bestimmt von dem Film ‚Avatar‘ gehört. Vielleicht habt ihr die amerikanische Produktion auch im Kino schon gesehen. In diesem Science-Fiction-Film werden real gedrehte Szenen mit Szenen, die von einem Computerprogramm erstellt wurden, vermischt. Für diesen Film wurden 3-D-Kameras neu entwickelt und in einem virtuellen Studio hergestellt. Das ist die Technik, die auch hier zum Einsatz kommt, nur – hier in diesem Institut ist man in der Entwicklung schon weiter. Aber das kann ich euch nicht erklären, das muss man sehen. Und bevor mein alter Schulfreund euch mit dieser ausgefeilten Technik faszinieren wird, noch einen Hinweis: Macht euch eine Notiz, wenn ihr etwas nicht versteht und fragt, fragt meinem Freund Georg, der der Forschungsleiter an diesem Institut ist, hinterher ein Loch in den Bauch!“

Der Schulfreund Georg feixte. „Gut, dann starte ich mal mein Programm. Zuerst nehme ich eine Person – ich nehme mich (an einer weißen Wand erschien das Abbild des Forschungsleiters) – den mache ich älter, gebe ihm einen weißen Bart und lange weiße Haare, ein weites Gewand – ich habe mich als einen keltischen Priester erschaffen.“

Auf der Leinwand erschien ein Priester, der dem Anton einen leisen Ruf des Erstaunens entlockte: „Der Priester Inoui!“

Obwohl Anton nur leise gesprochen hatte, hörte ihn der Forschungsleiter und meinte: „Ein schöner Name. Gefällt mir. Nennen wir diesen Priester ab jetzt Inoui. Jetzt ‚zaubern‘ wir genauso noch andere Menschen. Unser neuer Forschungsingenieur, der Herr Klenn, hat seine ganze Familie eingescannt und so sehen sie aus.“

Anton bekam große Augen. Er sah Karina, Kori, ihre Mutter nun auch den Vater, den er als Kiron, den Jüngeren im Jahre 3010 kennengelernt hatte.

„Wir brauchten noch mehr Menschen. Unser Hausmeister gab einen alten Mann her. Und viele Passanten bildeten Hunderte Menschen in einer anderen Welt.“

Anton sah, wie aus dem Hausmeister Kiron, der Ältere wurde und starrte auf die Menschen, die in einer Straße entlang hasteten, ob er noch mehr bekannte Gesichter erspähen konnte.

Doch da wurde seine Aufmerksamkeit schon wieder auf Neues gelenkt.

„Diese Menschen sollen in tausend Jahren leben – also machen wir sie etwas größer. So etwa!“

Die Schüler staunten nicht schlecht, als sie sahen, wie die Familie Klenn um etliche Zentimeter wuchs.

„Unsere Story soll in der Gegenwart, der Zukunft und in der Vergangenheit spielen. Wir wollen etwas übersinnliche Magie – die Magie der keltischen Druiden – hineinbringen. Also suchten wir einen schönen Hinkelstein, einen Menhir – so sieht er aus – und verändern ihn mit …“

Anton unterbrach den Forschungsleiter: „… den magischen Zeichen!“

„Gut Anton, man könnte meinen, du warst dabei!“ Georg lächelte verschmitzt. „Ja, und nun fehlten uns noch zwei Hauptdarsteller. Wir wollten zwei entdeckungsfreudige Jungs nehmen und suchten auf den Straßen und fanden diese beiden hier!“

Als die Bilder eingeblendet wurden, riefen die Schüler: „He, das ist ja Anton und sein kleiner Bruder!“

„Genau, euren Anton und den Martin haben wir aus einer Vielzahl von Aufnahmen ausgewählt. Wir lassen sie zum Stein radeln, sie ziehen die magischen Zeichen nach und landen im Jahre 3010. Jetzt war unsere Vorstellungskraft gefragt. Wer kann schon sagen, wie es in 1000 Jahren auf der Erde aussehen wird? Wer kann die Entwicklung der Wissenschaft, der Technik abschätzen? Wer weiß heute, welch ein System des Zusammenlebens die Menschen in 1000 Jahren gefunden haben?! Niemand! Wir auch nicht! So beschränkten wir uns auf einige – na ja ich muss zugeben – sehr oberflächliche Dinge. Aber dafür ist es ja auch unser erstes Projekt. Alle Figuren, die ihr dann sehen werdet, sind jetzt nur reine Computer-Menschen, nichts ist real. Wir haben sie aus realen Subjekten geschaffen und sie in eine virtuelle Welt gesetzt. Dort können sie Abenteuer erleben, miteinander reden. Ihre Stimmen stammen genauso aus dem Computer, wie ihr Aussehen, ihre Kleidung, wie die Straßen und Gebäude. Wir haben es geschafft, diese Computer-Menschen sich in der virtuellen Welt so bewegen zu lassen, als würden sie wirklich leben. Unsere Helden bewegen sich in verschiedenen Ebenen. So reisen Anton und Martin auch in andere Jahrtausende, auch in die Vergangenheit. Das war sehr kompliziert, aber wir haben es hingekriegt. So, und nun seht ihr einen kleinen Ausschnitt. Das ist übrigens eine Premiere. Ihr seid die ersten Fremden, die das sehen können.“

Jetzt erlebte Anton noch einmal seine erste Reise mit Martin ins Jahr 3010. Er sah sich zum magischen Stein radeln, sie zogen die magischen Zeichen nach, sie erblickten die Landschaft aus dem Jahre 3010, sie sahen die Kugel auf sich zukommen und Anton sah, wie Kalida – also Karina – die Kugel verließ. Eine Stunde lang schauten 12 Kinder wie gebannt auf die Leinwand, niemand machte sich Notizen, niemand hatte eine Frage – man schaute und glaubte selbst im Jahre 3010 zu sein.

Und dann sollten die Kinder ihre Fragen stellen. Aber nur eine einzige kam. Einer fragte, ob man das dann auch im Kino sehen kann. Und der Forschungsleiter antwortete: „Dies ist nicht für die Allgemeinheit gedacht. Dies wandert ins Archiv.“

Schon wollte ihr Lehrer den Besuch als beendet erklären, als Anton sich meldete. „Ich habe drei Fragen. Erstens möchte ich wissen, wie die Menschen die noch nicht geschaffene virtuelle Welt in ihrer bereits geschaffenen Welt sehen? Dann würde mich interessieren, ob man Gegenstände in der virtuellen Welt aus dem einen Jahrtausend in das andere einfach so mitnehmen kann? Und drittens möchte ich wissen, ob diese Computer-Menschen auch ein Eigenleben entwickeln können?“

Als Anton die dritte Frage stellte, schauten sich der Forschungsleiter und sein Lehrer verwundert an. Georg, der Forschungsleiter gab die Antworten. „Zur ersten Frage, Anton. Diese virtuellen Menschen müssten das noch nicht Geschaffene als etwas Schwarzes - als ein schwarzes Nichts sehen.“

„Das man auch nicht fühlen kann?“ Anton stellte die Zwischenfrage.

„Ja, richtig. Dort ist nichts – gar nichts! Beantwortet?“

Anton nickte.

„Die zweite Frage ist ein für uns noch nicht gelöstes Problem. Wir können die Computer-Menschen von einer Ebene in die andere bringen, aber bei den Gegenständen, die in einer virtuellen Welt geschaffen wurde, diese dann in eine andere Ebene – also zum Beispiel in ein anderes Jahrtausend zu bringen, das klappt noch nicht. Diese Gegenstände verschwinden – einfach so. Beantwortet?“ Der Forschungsleiter schaute fragend zum Anton. Der nickte wiederum.

„Und nun zu deiner letzten Frage. Die ist schwer, sehr schwer zu beantworten. Man könnte meinen, du könntest hellsehen, denn das ist unser gegenwärtiger Forschungsschwerpunkt. Wir wollen Programme erschaffen, um Computer-Menschen ihr eigenes Leben führen zu lassen. Klingt ganz schön verrückt, aber wir haben neulich einen ersten kleinen, winzigkleinen Erfolg gehabt. Mehr kann ich und darf ich dazu nicht sagen.“

„Heißt das, Sie schaffen einen Computer-Menschen und der lebt dann so wie ich?“ Der Maximilian stellte mit groß aufgerissenen Augen diese Frage.

Und mit der Antwort beendete der Forschungsleiter den Besuch: „Ja, so ist es!“ Und lächelnd fügte er an: „Nur braucht der kein Essen, kein Trinken und keinen Schlaf. So, das wär es dann für heute. Euer Lehrer meinte, bald müsst ihr euch einen Praktikumsplatz suchen. Es wäre schön, wenn sich der Eine oder andere bei uns sehen lassen würde.“ Dann suchte er mit den Augen den Anton und bemerkte ernsthaft: „Anton, wenn du möchtest, dann hättest du einen Praktikumsplatz bei uns sicher? Möchtest du?“

Anton nickte zustimmend und sein Lehrer freute sich für ihn: „Anton, was Besseres hättest du gar nicht finden können! Menschenskind, der Forschungsleiter bietet dir einen Platz an. Du hast ihn mächtig beeindruckt!“

Na ja, beeindruckt war Anton schon, aber nicht von diesem Angebot. Ihn beschäftigte beim Heimradeln der Gedanke, dass Computer-Menschen selbstständig leben könnten. Und sofort kamen alle Erinnerungen hoch: „Waren Martin und ich solche Computer-Menschen, als wir in die Zukunft reisten?“ Anton erschrak über diesen Gedanken, denn sofort setzte er den Gedankengang fort: „Ja, dann sind wir vielleicht nur Computer-Menschen, nur virtuell real aber nicht wirklich real! Nicht aus Fleisch und Blut!“

Zum zweiten Male hatte nun Anton solche Gedanken gehabt. Bereits gestern dachte er darüber nach und stellte dann nach dem Zusammenstoß mit Karina fest, dass er doch wirklich real sei. Und um seine Wirklichkeit zu beweisen, blickte er auf sein Knie mit der nun schon verschorften Wunde. Und als er an der Straße vorbeifuhr, in der Karina wohnte, schrie er: „Ich bin wirklich real! Ich bin wirklich Ich! Und morgen habe ich mein erstes Date mit Karina!“ Und Anton trat fröhlich in die Pedale, um zu Hause seinem kleinen Bruder Martin von der realen und real virtuellen Welt zu berichten.