Geschichten aus der Zukunft

Bitte beachten Sie!

.....................................

Sie dürfen meine "Geschichten aus der Zukunft" kopieren und für den privaten Gebrauch nutzen. Änderungen dürfen nicht vorgenommen werden. Eine Vervielfältigung und Veröffentlichung, auch auszugsweise, bedarf immer meiner schriftlichen Zustimmung.

 

1. Das Interview mit „Herrn Max“

………………………………………...........

von Joachim Größer (2017)

 

Mindestens 20 Männer und Frauen drängelten sich durch den schmalen Eingang. Man schubste und stieß, man keuchte und schrie. Es waren Reporter, die alle nur eins wollten, den sogenannten „Fensterplatz“ erwischen. Und dafür vergaß man auch schon mal die sogenannten guten Manieren!

Vor einer großen Vogelvoliere standen ausreichend Stühle, um allen Reportern und Kameraleuten einen guten Sichtplatz zu bieten. Dann erschien ein älterer grauhaariger und graubärtiger Mann, der sich als ein emeritierter Professor vorstellte. Jetzt kamen weitere Alte – sie alle hatten Professorentitel und alle waren in den Ruhestand versetzt.

Die Reporter hatten genug Titel und Fachbereiche gehört. Sie wollten die Sensation, und nur deshalb haben sie den weiten Weg aufs Land unternommen. Sie wollten nämlich mit einem Kolkraben Gedanken austauschen! So hieß es in der Einladung, die die Zeitungsverlage und Fernsehstationen erhalten hatten.

„Herr Professor Weiß!“, schrie einer der Journalisten. „Wann wollen Sie uns endlich Ihren Raben vorführen?!“

„Geduld, mein Herr!“, konterte der Alte. „Zuerst stelle ich Ihnen Frau Professor Michin vor. Sie ist Verhaltensforscherin und spezialisiert auf Vögel. Unsere Frau Professor ist die Frau,

die mit den Vögeln spricht!“

Professor Michin erschien - auch flog ein Rabe in die Voliere. Und Frau Michin ahmte die Rabenlaute perfekt nach und der Rabe antwortete ihr. Dann übersetzte sie für die Journalisten. „Es sind nur einfache Begrüßungslaute, sie werden so zur Begrüßung zwischen den Kolkraben ausgetauscht.“

Frau Professor „sprach“ mit dem Raben und der antwortete. Und zu den Besuchern gewandt, sagte Frau Professor: „Herr Max, so heißt dieser Kolkrabe, bat mich, Sie zu begrüßen und er ist sehr neugierig zu erfahren, wie fremde Menschen denken. Er möchte, dass wir mit dem Interview beginnen.“

Und Herr Max krächzte laut, Frau Professor lächelte und laut sagte sie: „Herr Max möchte sich mit dem Herrn ohne Federn auf dem Kopf unterhalten!“

Der Herr ohne Federn auf dem Kopf war der vorlaute Reporter – er nannte eine herrliche Vollglatze sein Eigen. „Kommen Sie!“, rief Frau Professor dem Reporter zu. „Herr Max steht zum Interview zur Verfügung!“

Und der Reporter stolperte verlegen in die Voliere. Dort wurde ihm vom Professor Weiß ein Kranz, der mit Haftelektroden bestückt war, um seinen Kopf gelegt. Nachdem der Alte alle Kontakte überprüft hatte, leuchteten zwei riesige Bildschirme auf. Auf dem einen sah man die anderen Professoren an Computern sitzen. Einer sprach: „Alles perfekt! Beginnen wir!“

Und Professor Weiß erklärte: „Wir Alten hatten unsere Universitätskarriere beendet. Doch zum Stillsitzen fühlten wir uns zu jung. So forschten wir, jeder auf seinem Spezialgebiet, wie man mit intelligenten Tieren kommunizieren könnte. Und die Rabenvögel gehören zu den klügsten Geschöpfen. Dies wussten bereits die Steinzeitmenschen, die Menschen des Altertums und natürlich auch wir. Neurobiologen und Neurologen ‚zapften‘ Herrn Max – übrigens mit seinem Einverständnis – sie zapften seine Hirnströme an; und mithilfe unserer leistungsfähigen Rechner und völlig neu entwickelten Programmen können wir mit Herrn Max Gedanken austauschen.“

Professor nickte dem Herrn Max zu und der krächzte. Auf dem bis jetzt noch leeren Bildschirm konnte man nun auf einem Laufband lesen: „Guten Tag, Herr ohne Haare auf dem Kopf. Ich traf schon andere Menschen mit dieser Erscheinung. Ist dies unangenehm?“

Und der Reporter antwortete: „Ich habe die Glatze geerbt. Alle Männer meiner Familie tragen Glatze.“

Professor weiß mischte sich ein: „Sie müssen nicht reden. Denken Sie die Antwort. Unsere Rechner transformieren Ihre Sprache, Ihr Denken, also Ihre Hirnströme so um, dass der Herr Max sie empfangen kann und somit Ihre Antwort versteht.“ Und sich an alle Reporter wendend, sagte er: „Alles, was sich in den Köpfen des Raben abspielt, zeigen meine verehrten Kollegen auf den Bildschirmen an. Auch dafür gab Herr Max seine Zustimmung.“

Und es entspann sich ein Wortaustausch zwischen einem Kolkraben und einem Menschen. Und Mensch und Tier nahmen den Gesprächspartner sehr ernst und die Anwesenden lauschten und starrten auf die Bildschirme, um ja nicht, eine Aussage, einen Gedanken zu verpassen. Am Ende des „Zwiegespräches“ meinte Herr Max: „Paulchen, jetzt sollst du Frau Max noch kennenlernen. Auch sie kann bereits mit Menschen reden – muss aber noch etwas üben!“

Und er, der Herr Max krächzte und Frau Max flog zu ihrem Ehemann. Artig begrüßte sie Paulchen in der Voliere und alle Männer und Frauen außerhalb der Voliere. „War das Gespräch angenehm?“, fragte Frau Max. Und Herr Max erwiderte: „Sehr! Paulchen ist ein netter Mensch. Seine Frau ruft ihn so. Er heißt eigentlich Paul.“

„Dann muss seine Frau ihn sehr lieb haben! Ich rufe dich doch auch ‚mein Mäxchen!‘“

Paul Richter verabschiedete sich von dem Krähen-Ehepaar und begab sich leicht verstört auf einen freien Platz.

Professor Weiß ergriff wieder das Wort. „Ich möchte Ihnen ein weiteres Objekt unserer Forschung vorstellen. An der Küste der Halbinsel Krim arbeitet ebenfalls eine Gruppe emeritierter Wissenschaftler. Auch sie kommunizieren bereits mit Tieren und zwar mit Delfinen. Ich glaube, sagen zu können, dass wir in einigen Monaten so weit sind, Ihnen zu demonstrieren, dass sich unser kluger Rabe mit einem Delfin unterhalten kann.“

Der Bildschirm flammte auf. Man sah eine Gruppe Alter, die sich um drei Delfine scharten. „Was meinst du, Boris Iljanow, kann ich diese Leute hier bereits einladen? Ein halbes Jahr? Schafft ihr das?“

Und der Alte, den Herr Professor Weiß als Boris Iljanow ansprach, erklärte lächelnd: „Unsere kluge Frau Delfinia will euch antworten!“

Und auf dem Bildschirm erschien ein Laufband und die Reporter konnten lesen: „Wir schaffen das! Ich freue mich schon darauf, mit Herrn Max direkt Gedanken austauschen zu können!“

Das gesamte Forscherteam verabschiedete die Journalisten. „Wir erwarten Sie in einem halben Jahr!“, rief man ihnen noch hinterher.

Draußen, auf der Straße begann die große Diskussion. Da war von exzellenten Forschungsergebnissen die Rede, andere aber sprachen von einer totalen Verarschung der Menschheit. „Alles nur Show!“, schrie einer aufgebracht. „Mich sehen die Alten nicht wieder! So ein Quatsch!“

Und Paulchen, der Paul Richter heißt und als ernsthafter Journalist sich einen Namen gemacht hatte, wehrte alle Fragen seiner Kollegen ab. „Nein! Keine Fragen! Ich gebe keine Antworten!“

Paul Richter setzte sich ins Auto und wartete, dass alle seine Kollegen verschwanden. Dann fuhr er auch los. Doch schon die nächste Möglichkeit, das Auto zu wenden, nutzte er, um zum Anwesen der Alten zurückzufahren.

Er ging wie gebannt zur Eingangspforte. Er klingelte und Herr Professor Weiß erschien. „Kommen Sie Herr Richter, Herr Max erwartet Sie schon!“

 

In Kürze können Sie hier die Geschichte "Der Außenposten" lesen!