Geschichten vom Weihnachtsmann

3. Wie Nick seinen Weihnachtswunsch erfüllt bekam …

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(von Joachim Größer)

 

Weit im Norden, dort wo Rentiere den Schlitten ziehen und der Winter fast ein halbes Jahr dauert, soll das Postamt des Weihnachtsmannes sein. Manche meinen, dieses Postamt wäre in Himmelpforten. Andere wiederum sagen, das wirkliche Postamt sei im Himmelreich. Und diese Orte gibt es ja wirklich. So hat Himmelpforten die Postleitzahl 21709 und das Himmelreich 31535. Aber dann gibt es noch Himmelpfort und wahrscheinlich noch andere Postämter in anderen Ländern, denn überall bringt ja der Weihnachtsmann den Kindern die Geschenke. Wohin also schickt man als Kind seinen Wunschzettel?

Vor diesem Problem steht auch der kleine Nick. Da er noch nicht schreiben kann, bittet er seine Mutter, für ihn zu schreiben. Und seine Mutter meint aber, es wäre noch viel zu früh dafür, jetzt sei August und bis Weihnachten sei noch viel Zeit. Doch Nick bestand darauf, dass die Mutter jetzt im heißen Sommer den Brief schreiben solle. So holte Nicks Mutter einen Block und Kugelschreiber. „Was soll ich schreiben, Nick?“, fragte sie lächelnd.

„Mama, ist die Tinte auch wasserfest?“

„Warum wasserfest?“, erwiderte Nicks Mutter verwundert.

„Na, im vorigen Jahr hat mir der Weihnachtsmann nicht alle Wünsche erfüllt. Vielleicht ging die Post an das falsche Postamt oder die Kobolde in den Postämtern haben das dem Weihnachtsmann nicht richtig berichtet!“

Und Nick erzählte seiner Mutter seine Befürchtungen, dass nämlich der Kobold Puck, der nur Schabernack im Kopf hat, wahrscheinlich den Wunschzettel versiebt habe. Er, Nick, habe sich gedacht, dass er direkt an den Weihnachtsmann schreiben müsse. Und damit die Kobolde und ganz besonders der Kobold Puck nichts durcheinanderbringen können, will er dem Weihnachtsmann eine Flaschenpost schicken.

„Und du meinst, diese Flaschenpost kommt direkt zum Weihnachtsmann?“

„Aber ja, Mama. Der Wassermann ist doch ein guter Freund des Weihnachtsmannes. Und wenn der meinen Brief dem Weihnachtsmann gibt, wird mein Wunsch endlich erfüllt. “

Nicks Mutter schmunzelte. „Vielleicht hast du recht, Nick. Ich schreibe jetzt den Brief. Was soll ich denn schreiben?“

Nick sprach seine Wünsche aus und die Mutter schrieb:

„Lieber Weihnachtsmann! Ich heiße Nick und ich bitte dich, Weihnachten für mich zu verlegen. Ich habe am 24. Dezember Geburtstag und damit fällt der Weihnachtsabend und mein Geburtstag immer zusammen. Im Kindergarten haben alle Kinder nicht am 24. Geburtstag. Sie feiern also zweimal. Bitte, bitte, lieber Weihnachtsmann, lass mich auch zweimal feiern. Meine anderen Wünsche für Weihnachten habe ich wieder aufgemalt.“

Unter dem Schreiben kritzelte Nick seinen Namen.

„So Mama, jetzt kommt der Brief in die Flasche und dann schaffe ich die Flasche zum Bach.“

„Hier, nimm diese Flasche, Nick und dort liegt ein passender Korken“, sagte seine Mutter.

Als Nick mit der Flasche loslaufen wollte, rief seine Mutter: „Warte, Nick! Wir fahren zum großen Fluss. Dort kannst du auf der Brücke die Flasche dem Wassermann übergeben.“

So fuhr denn Nick mit seiner Mutter zum großen, breiten Fluss. Das Auto wurde auf einem Platz vor der Brücke abgestellt und beide gingen mitten auf die Brücke. Tief unten schäumte das Wasser und dem Nick wurde richtig schwindlig, wenn er zwischen den Eisenträgern nach unten schaute.

Jetzt gab es aber ein Problem, das Brückengeländer war zu hoch für Nick. Seine Mutter durfte aber die Flasche nicht in das Reich des Wassermannes werfen – nur wenn Nick wirft, werden seine Wünsche auch richtig weitergeleitet.

So nahm denn Nicks Mutter ihren Jungen auf den Arm und Nick schmiss im hohen Bogen die Flasche in den großen Fluss.

„Wassermann! Wassermann!“, schrie er. „Gib dem Weihnachtsmann bitte die Flaschenpost!“

Und als die Flasche aufs Wasser klatschte, schrie Nick: „Danke, Wassermann!“

Nick strahlte. „Mama, Mama, hast du gesehen, der Wassermann hat die Flasche direkt nach unten gezogen! Diesmal wird mein Wunsch bestimmt erfüllt!“

 

Und Nick hatte richtig gesehen. Kaum dass die Flasche das Wasser berührte, kam die kleine Wassernixe, übrigens die Enkelin des Wassermannes, und zog die Flasche nach unten. Schnell schwamm sie damit zum Wassermann. Der saß in der großen Muschel und schnarchte mächtig laut. „Großvater, Großvater!“, rief die kleine Wassernixe. „Ein kleiner Junge hat eine Flaschenpost ins Wasser geworfen!“

„Na und?“, gähnte der Wassermann. „Deswegen musst du mich doch nicht wecken.“

„Aber Großvater, der kleine Junge hat gerufen: 'Wassermann! Wassermann! Gib dem Weihnachtsmann bitte die Flaschenpost!“

„Waaas?!“, schrie der Wassermann. „Hab ich denn den Sommer und den Herbst verschlafen?!“

Er sprang auf, nahm seinen Dreizack und jagte durchs Wasser. „Das mir, dem Wassermann! Dem Herrscher seit vielen 1000 Jahren! O weh, o weh!“

So klagte der Wassermann und rührte das Flusswasser dabei so gewaltig auf, dass auf dem Fluss ein kleineres Boot mit zwei Anglern als Insassen bedrohlich schwankte.

„O weh! O weh!“ Erschöpft setzte sich der Wassermann wieder in seine Muschel. Er ärgerte sich so sehr darüber, dass er so lange geschlafen hatte, dass er ganz grün wurde. Und da er der Herrscher im Flussreich ist, nahm auch das Wasser eine grünliche Färbung an. Selbst seine Enkelin, die kleine Wassernixe, sah jetzt grün aus.

„Großvater“, sagte sie sehr ruhig, „es ist Sommerzeit, nicht Weihnachtszeit.“

Doch der Großvater Wassermann jammerte nur und wehklagte: „Wie kann mir das passieren?! Mir, dem mächtigen Herrscher des großen, langen Flusses! Was werden die anderen Wassermänner von mir denken?! Und was erst wird der Herrscher über die Meere, unser allgewaltiger und furchtgebietender Neptun über meine Schlafsucht denken?! O weh, o weh!“

Noch zweimal sagte die kleine Wassernixe, dass jetzt Sommer sei, aber ihr Großvater hörte ihr nicht zu. Da schwamm die kleine Wassernixe neben ihren Großvater, nahm sein großes Ohr in die Hand und schrie so laut sie nur konnte: „Großvater, wir haben jetzt Sommer!“

Der Wassermann schoss aus seiner Muschel in die Höhe, so, als wenn ihn ein großer Barsch mit seiner spitzen Rückenflosse in den Hintern gepiekt hätte. Gewaltig schäumte das Wasser. Dann setzte sich der Wassermann ganz ruhig und gelassen in seine Muschel. „Ich wusste es doch. Ich habe nur schlecht geträumt. So Nixi, lässt mich noch ein wenig ruhen, ja?“

Immer, wenn der Wassermann seine Enkelin mit Nixi rief, war er sehr zufrieden und glücklich.

„Großvater, du darfst jetzt nicht schlafen! Der kleine Junge vertraut dir doch! Willst du ihm nicht helfen?“

„Doch, doch – aber erst will ich ausschlafen.“ Das letzte Wort war verklungen, da hörte die kleine Nixe auch schon leises Schnarchen. „Ach Großvater“, seufzte sie. „Wie kriege ich dich nur wach?“

„Hallo Nixi!“, rief da der kleine Flusskrebs. „Was ist denn? Du siehst so traurig auf.“

„Ach lieber Krebs“, sagte die kleine Nixe und sie erzählte dem Krebs ihren Kummer.

„Na, wenn es nichts Schlimmeres gibt!“, rief der Krebs fröhlich.

Er pfiff dreimal und sofort schwammen der stachelige Barsch, der brummige Hecht und der ältere Bruder des Krebses herbei.

„Freunde!“, rief der Krebs. „Unsere kleine Nixi braucht unsere Hilfe, und wir wollen ihr doch helfen! Oder?“

„Ja, ja, natürlich helfen wir! Sag schon, was sollen wir machen?“, erwiderte der alte Barsch mit tiefer, krächzender Stimme.

„Den Wassermann wecken!“

„Waaaas?“ Alle Freunde des Krebses riefen dieses „Waaaas?“ fast gleichzeitig.

„Wir können doch nicht unseren Herrscher wecken!“, brummte der Hecht erschrocken.

Auch der Barsch meldete viele Bedenken an.

Die kleine Wassernixe hielt die Flaschenpost an sich gedrückt und schaute wieder ganz traurig, als sie sagte: „Da wird der kleine Junge von der Brücke sehr unglücklich sein, wenn der Weihnachtsmann seine Flaschenpost nicht bekommt.“

„Was, Weihnachtsmann? Höre ich richtig: 'Weihnachtsmann'?“

„Ja, lieber Barsch, das ist die Flaschenpost des kleinen Jungen. Sie ist für den Weihnachtsmann bestimmt!“

„Also, wenn das so ist, Nixi, ja dann ... dann helfen wir dir! Einverstanden, Freunde?“ Der Barsch schaute zu dem Hecht und den beiden Krebsen. Die nickten zustimmend.

„Gut, wir fangen das so an: Die Krebse verschließen mit ihren Zangen den Mund und die Nase unseres Herrschers. Der Hecht zwickt ihm in die Waden und ich ...“ Der Barsch stellte seine spitzen Rückenflossen steil auf. „... ich pieke unseren über alles geliebten Herrscher in den Hintern! Freunde, es gilt!“

Der Barsch gab das Zeichen und im Nu tobte und brauste das Wasser im Fluss. Die Weckaktion war ein voller Erfolg. Barsch, Hecht und die beiden Krebse waren hinter die Wassernixe geschwommen. Hier versprachen sie sich den besten Schutz vor dem Wutausbruch des Wassermannes und der war wirklich wütend. Es dauerte lange, ehe sich der Herrscher des Flusses wieder beruhigt hatte.

„Hattest du einen schlechten Traum, Großvater?“, sagte die Nixe leise lächelnd.

„Traum? Traum! Habe ich denn geschlafen?“

„Nur ein wenig, lieber Großvater. Jetzt bist du wach und kannst dem Weihnachtsmann seine Post bringen.“

„Wieso Weihnachtsmann? Wieso Post?“, fragte der Wassermann mit großen Augen. Und die kleine Nixe zwinkerte ihren Freunden dankend zu und sie erzählte ihrem Großvater von dem kleinen Jungen und seiner Flaschenpost.

„Sag, Nixi“, brabbelte der Wassermann, „ist denn bald Weihnachten? Ist schon Frost auf der Erde und Schnee?“

„Nein, nein Großvater“, erwiderte die Nixe, wir haben noch Sommer. Nur wenn der kleine Junge dich jetzt schon bittet, dem Weihnachtsmann die Post zu bringen, dann muss es sehr wichtig sein!“

„Da hast du allerdings recht, Nixi. Aber, wie stell ich das an – jetzt, mitten im Sommer? Wo mag mein alter Freund wohl jetzt sein? In den hohen Bergen? Nein, die mag er gar nicht. Auf der großen Wolke? Oder am Südpol? Nein, da bestimmt nicht! Bleibt doch nur ...“

Leider unterbrach hier der Wassermann sein Selbstgespräch und die kleine Wassernixe wusste nicht, wo sich der Weihnachtsmann jetzt aufhalten könnte.

Aber das wusste der Wassermann. Er befahl seine Berater zu sich und sie kamen alle: Der alte Barsch, der knurrige Hecht, der steinalte schwerhörige Flusskrebs und selbst die Wasseramsel ließ es sich nicht nehmen, immer wieder ins Wasser zu tauchen, um zu hören, was es Wichtiges gäbe. Und ihr Herrscher bat sie um Rat. „Sagt mir, wie komme ich zu meinem alten Freund, dem Weihnachtsmann. Er ist jetzt garantiert in Lappland und spielt mit dem finnischen Weihnachtsmann Joulupukki Karten.“ Der Wassermann feixte, als er weitersprach: „Er verliert garantiert, er ist ein schlechter Kartenspieler und mogeln kann der Weihnachtsmann auch nicht.“

„Großer Wassermann, lass dich zum Meer treiben und bitte den mächtigen Neptun, er möge dich mit dem Meeresstrom, dem Golfstrom, zum Nordkap bringen“, riet ihm der alte Barsch.

„Hm“, sagte der Wassermann, „wie lange wird das dauern?“

„Viele Tage und Nächte, aber Weihnachten seid ihr bestimmt in Lappland, ehrwürdiger Wassermann.“

„Das ist zu lange, Barsch, viel zu lange. Ein anderer Vorschlag?“

Aber keiner hatte eine Idee. Da tauchte die Wasseramsel wieder einmal kurz in der Versammlung auf und zwitscherte: „Fliegen, ehrwürdiger Herrscher! Fliegen!“ Und schwuppdiwupp ... schon war sie wieder verschwunden.

„Die Wasseramsel spinnt!“, krächzte der Hecht. „Wie soll unser Herrscher fliegen, er ist der Wassermann!“

„Hast recht, Hecht“, stöhnte der Wassermann. „Hast recht!“

„Die Amsel hat recht, nicht der Hecht!“

Alle schauten zum steinalten Flusskrebs.

„Wie soll ich denn fliegen, na wie?“, schimpfte der Wassermann.

Doch der Flusskrebs beharrte auf seine Meinung. „Mit Nachdenken finden wir die Lösung!“

„Dann denke mal nach und sag mir, wie ich fliegen soll!“ Wütend schaute der Herrscher des Flusses zum Krebs. Das Wasser um den Wassermann begann bereits zu schäumen, so ärgerte sich der Herrscher über die dumme Antwort seines ältesten Ratgebers. Doch der Krebs ließ sich nicht beirren.

„Wassermann, bitte die Sonne, sie möge dich hinaufziehen! Bist du in der Wolke, so bitte deinen Bruder, den Herrscher der Lüfte, er mag kräftig blasen und zwar immer nach Norden. Bist du in Lappland angekommen, so lass dich als Regen in einen Fluss fallen und dort hilft dir der Herrscher dieses Flusses beim Suchen des Weihnachtsmannes.“

Lange dachte der Herrscher nach. Dann sprang er auf und rief: „Das ist es! Genauso mache ich es! Krebs, ich könnte dich vor Freude umarmen!“

Vorsichtshalber schwamm der Krebs hinter den alten Barsch. Die Liebesbeweise des Wassermanns waren nämlich gefürchtet. Doch zum Umarmen hatte der Wassermann jetzt keine Zeit. Er schoss an die Wasseroberfläche und rief: „He, Sonne! Ich muss nach Norden, nach Lappland! Zieh mich bitte hoch, so hoch, wie es nur geht!“

Und die Sonne lugte hinter einer kleinen weißen Wolke hervor und antwortete: „Gern erfülle ich dir diesen Wunsch!“ Sie schickte ihre heißesten Strahlen in den Fluss und man konnte sehen, wie die Luft flimmerte und nach oben stieg. Feine Wassertröpfchen stiegen auf, höher und höher. Ober sammelten sie sich in der weißen Wolke. Die Wolke und wuchs, wurde groß und schwer. Und mitten in der Wolke saß der Wassermann, hielt Nicks Flaschenpost fest in der Hand, und er rief: „Bruderherz! Wind! Blase mich nach Norden, immer nach Norden. Ich muss nach Lappland zum Weihnachtsmann!“

Und ein schwacher Windhauch begann, die Wolke nach Norden zu bewegen.

„Bruderherz, warum so langsam? Schneller! Schneller! Ich will zum Weihnachtsmann!“

Und da zeigte sich der Bruder Wind. „Erst musst du dich für dein Mogeln beim Kartenspiel entschuldigen und versprechen, dass du jetzt immer ehrlich spielen wirst! Dann werde ich blase!“

„Aber Brüderchen, liebes Brüderchen! Das ist doch nur ein Spiel, nur ein Spiel!“

„Erst entschuldige dich – dann blase ich!“ Der Bruder Wind blieb hart.

Und so musste der Wassermann sich für sein Mogeln beim Kartenspiel entschuldigen und versprach bei allen Wassern seines Flusses, nie mehr zu schummeln. Kaum war das letzte Wort verklungen, erhob sich ein gewaltiger Sturm und die große, dicke Wolke jagte gleich einem riesigen Luftballon nach Norden. Und mitten drin in der großen, dicken Wolke saß der Wassermann und hielt die Flaschenpost in seinen Händen. Er saß und ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Er schlief.

„He Bruder!“, fauchte der Wind. „Dort ist das Reich des Joulupukki! Lasst dich fallen!“

Der Wind trieb die Wolke über einen größeren Fluss und nochmals rief der Wind: “Bruder, lass dich fallen!“

So ließ sich der Wassermann als Regen fallen, und er plumpste direkt in den Fluss. Aber er war ja nicht der Herrscher dieses Flusses - dieser Herrscher kam jetzt ganz grün vor Ärger und Aufregung zu unserem Wassermann geschwommen. Als er aber seinen Kollegen erkannte, brüllte er vor Freude. „Endlich bekomme ich auch einmal Besuch. Komm, lass dich umarmen!“

Und er umarmte seinen Kollegen Wassermann und das Wasser des Flusses schäumte und schlug große Wellen. Unser Wassermann musste versprechen, mehrere Wochen im hohen Norden, in Lappland, zu bleiben. Dafür wollte ihm sein Wassermann-Kollege aus Lappland bei der Suche nach dem Weihnachtsmann helfen. Und wirklich, drei Tage später konnte unser Wassermann dem Weihnachtsmann die Flaschenpost übergeben.

„Seltsam“, murmelte der Weihnachtsmann, „sehr seltsam! Wir haben doch nicht Dezember – oder?“

Erschrocken schaute er zu Joulupukki. Doch der finnische Weihnachtsmann sagte ganz ruhig: „Jetzt ist es September. Wir haben noch viel Zeit, Bruder!“ Neugierig fügte er hinzu: „Nun lies doch endlich diese seltsame Weihnachtspost vor!“

Zuerst las der Weihnachtsmann leise, dann laut und dann nochmal leise. Er brummte, schüttelte den Kopf, runzelte die Stirn, kraulte sich zuerst den langen weißen Bart, dann das Haar, brummte erneut und meinte dann: „Ja, wie soll ich denn diesen seltsamen Wunsch erfüllen?! Joulupukki, hast du eine Lösung?“

„Nein, mein Freund. Mir fällt auch nichts dazu ein. Vielleicht ...“ Joulupukki machte ein sehr nachdenkliches Gesicht.

„Nun sag schon! Was heißt dein 'vielleicht'?“

„Wir rufen Santa Claus und unseren Freund aus Russland. Gemeinsam finden wir eine Lösung!“

„Wir sollen Santa Claus aus Amerika und Väterchen Frost aus dem fernen Sibirien zu uns holen?“

„Ja, genau, das machen wir!“ Joulupukki erhob sich. „Einverstanden? Denn dann schicke ich die Boten aus!“

„Einverstanden“, seufzte der Weihnachtsmann. Er blieb sitzen und schüttelte nur den Kopf. „Jetzt, im September, eine Konferenz der Weihnachtsmänner, das hat es noch nie gegeben.

Joulupukki griff vorsichtig in den kleinen Beutel, der an seinem bestickten Gürtel hing. Als er die Hand öffnete, lag auf seiner Hand feinster Sonnenstaub. Er blies einmal auf die Hand und der Sonnenstaub wehte nach Osten und noch einmal blies er und der Sonnenstaub wehte nach Westen. Dann klatschte er in die Hände und seine beiden Rentiere sprangen, schneller als der Wind, zu ihm.

„Lauft auf dem Nordlicht zu Santa Claus und zu Väterchen Frost! Sagt: 'Joulupukki und der deutsche Weihnachtsmann, der Nikolaus, bitten zu einer äußerst wichtigen Konferenz! Eile tut not!'“

Die Rentiere sprangen davon, das eine nach Osten und das andere nach Westen. Und die Menschen schauten am Abend in den Himmel und staunten. Ein Nordlicht färbte jetzt im September den Himmel bunt. Und die Menschen sagten: „O, wir bekommen einen zeitigen und kalten Winter!“ Sie wussten ja nicht, dass Joulupukki für diese Nordlichter verantwortlich war.

Drei Tage und Nächte vergingen. Da jagte ein Schlittengespann herbei. Schnell kam es näher und bald konnte man die Rentiere unterscheiden. Es waren Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Donner und Blitzen – die Rentiere des amerikanischen Santa Claus. Und Santa Claus stand im dahinjagenden Schlitten und trieb die Rentiere mit „Ho! Ho!“- Rufen zur Eile an. Hinter dem Schlitten sprangen das Rentier Rudolph mit der roten Nase und das Rentier des Joulupukki.

Santa Claus brachte den Schlitten direkt vor dem Weihnachtsmann zum Stehen.

„Ho, ho!“, rief er zur Begrüßung. „Ich habe den Weg direkt über den Nordpol genommen. Ich hoffe, ich bin pünktlich – oder?“

„Du bist pünktlich!“, erwiderte Joulupukki. „Herzlich willkommen! Väterchen Frost fehlt noch. Ob ihn mein Rentier nicht gefunden hat?“

Kaum hatte Joulupukki den letzten Satz ausgesprochen, da jagte mit dem eisigkalten Ostwind die Troika des Deduschka Moros, des Väterchen Frost, heran. Väterchen Frost stand im Schlitten, die Zügel fest in der Hand. Drei prächtige Schimmel zogen den golden funkelnden Schlitten. Sein langer, weißer Bart wehte im Fahrtwind. Und in seinem eisgrauen, bläulich schimmernden Pelzmantel glitzerten Eis- und Schneekristalle. Ein lautes „Brrrr!“ und die Troika stand still.

„Ho! Ho!“, rief er zur Begrüßung. „Ach, war das eine Fahrt, einfach herrlich!“

„Warum war deine Fahrt so schön?“, verwunderte sich Joulupukki.

„Na, weil Väterchen den Menschen bereits im September den ersten Schnee gebracht hat!“ „Snegurotschka!“, brüllte Väterchen Frost. „Wo kommst du denn her!?“

Snegurotschka war die Enkelin des berühmten Väterchen Frost und arbeitete eigentlich im Postamt in Weliki Ustjug. Dort sortierte sie die eingehenden Wünsche der Kinder und übergab dann dem Väterchen Frost die Liste mit den Wünschen.

Jetzt allerdings verkroch sie sich unter den dicken Fellen, die im hinteren Teil des Schlittens lagen. Nur noch ihre Nasenspitze lugte hervor. „Snegurotschka!“, brüllte Väterchen Frost mit gewaltiger Stimme. Der Nikolaus, Joulupukki und Santa Claus schauten erschrocken zu Väterchen Frost. Doch der tat nur wütend. Er lachte übers ganze Gesicht und zwinkerte den Dreien zu. „Snegurotschka!“

„Ja liebes Väterchen“, sagte Snegurotschka leise. „Möchtest du mich sprechen?“

Väterchen Frost machte große Augen, dann holte er tief Luft und lachte und lachte. Und da das Lachen bekanntlich ansteckend wirkt, lachten jetzt auch der Nikolaus, Santa Claus und Joulupukki. Da traute sich jetzt auch Snegurotschka unter ihren Fellen hervor.

„Solch ein verflixtes Mädchen, meine Snegurotschka!“, sagte Väterchen Frost, nahm seine Enkelin auf den Arm und ging zu den anderen Weihnachtsmännern. Er setzte Snegurotschka ab und umarmte seine Kollegen. „Lang nicht mehr gesehen!“, brubbelte er und gab ihnen den Bruderkuss.

Dann setzten sich die Vier. Snegurotschka verkroch sich wieder unter die warmen Felle im Schlitten und schaute dieser recht eigenartigen Konferenz zu. Und es war schon etwas sehr eigenartig, dass sich vier berühmte Weihnachtsmänner bereits im Monat September zu einer Sondersitzung trafen.

Joulupukki eröffnete die Konferenz und übergab sofort dem deutschen Weihnachtsmann, dem Nikolaus, das Wort. Und der hielt die Flaschenpost in der Hand, nahm den Zettel und las vor: „Lieber Weihnachtsmann! Ich heiße Nick und ich bitte dich, Weihnachten für mich zu verlegen. Ich habe am 24. Dezember Geburtstag und damit fallen der Weihnachtsabend und mein Geburtstag immer zusammen. Im Kindergarten haben alle Kinder nicht am 24. Geburtstag. Sie feiern also zweimal. Bitte, bitte, lieber Weihnachtsmann, lass mich auch zweimal feiern. Meine anderen Wünsche für Weihnachten habe ich wieder aufgemalt.“

Als er den Brief vorgelesen hatte, schaute er zu seinen Kollegen: „Wie kann ich diesen Wunsch erfüllen? Hat jemand von euch eine Idee?“

Und die Weihnachtsmänner saßen auf großen Steinen, mitten in der Tundra im hohen Norden. Santa Claus strich seinen weißen Bart, dann blitzten seine Augen, er hob den Finger. Alle blickten zu ihm. Doch Santa Claus sagte nur: „Das geht auch nicht!“

Auch Väterchen Frost strich sich über seinen langen weißen Bart. Dann fielen Tausende kleine Eis- und Schneekristalle heraus. Und damit er besser denken konnte, stieß er mit seinem magischen Zepter auf den Erdboden, dass es nur so dröhnte. Dann fielen aus den dichten Wolken viele Schneekristalle auf die Erde und bedeckten das Land. Und Väterchen Frost stieß sehr oft mit seinem magischen Zepter auf die Erde. Und als das ganze große Lappland mit Schnee bedeckt war, brubbelte er verärgert: „Mir fällt nichts ein! Mir fällt nichts ein!“

Drei Tage saßen die vier Weihnachtsmänner und viele Hunderte Male hatte Väterchen Frost mit dem Zepter auf den Boden gestampft. Eine dicke Schneedecke bedeckte Lappland und die Menschen verwunderten sich über den vielen Schnee, der so zeitig in diesem Jahr aus den Wolken gefallen war.

Snegurotschka hatte mehrmals versucht, sich bemerkbar zu machen. Doch dann hatte immer einer der Weihnachtsmänner nur gesagt: „Sei ruhig! Du störst uns beim Nachdenken!“

Doch als die Weihnachtsmänner nach drei Tagen und drei Nächten immer noch keine Lösung hatten, platzte Snegurotschka heraus: „Aber das ist doch ganz einfach!“

„Was ist einfach?“, fragte Santa Claus verwundert.

„Na, dem kleinen Nick seinen Wunsch zu erfüllen! Es gibt sogar zwei Möglichkeiten!“ Snegurotschka saß im Schlitten und die Weihnachtsmänner staunten.

„Zwei Möglichkeiten?!“ Der deutsche Weihnachtsmann bat Snegurotschka, ihm die beiden Möglichkeiten zu nennen. Und Snegurotschka sagte: „Hier die erste: Nick feiert seinen Geburtstag am 24. Dezember und zu Sylvester kommt mein Väterchen Frost zu ihm und beschenkt ihn zu Weihnachten.“

„Machbar wäre das!“ Väterchen Frost lächelte seine Enkelin an. „Kluges Mädchen, meine Snegurotschka!“

„Ja, das wäre machbar.“ Der deutsche Weihnachtsmann schüttelte den Kopf. So recht gefiel ihm der Vorschlag nicht und er sagte auch gleich warum. „Bei uns wird doch immer am 24. Dezember beschert.“

„Na dann nehmt doch meinen zweiten Vorschlag an!“ Snegurotschka lächelte. „Nick feiert am 24. Dezember Geburtstag und in der Nacht zum 25. gibt ihm Santa Claus die Geschenke. Santa Claus beschert doch immer erst in der Nacht vom 24. zum 25. Dezember. Nick kann am 24. mit seinen Freunden feiern. Am Abend kann er mit seinen Geschenken spielen. Und wenn er dann am nächsten Morgen aufwacht, schwupp – ist Weihnachten!“

„Das ist es!“, schrie der Nikolaus.

„So machen wir es!“, rief Santa Claus.

„Snegurotschka, mein liebes Schneeflöckchen, bist ein kluges Mädchen!“, lachte Väterchen Frost und stampfte mehrmals vor Freude so heftig mit dem magischen Zepter auf den Boden, dass ein gewaltiger Schneesturm über das Land hinwegfegte.

Der Nikolaus nahm Nicks Zettel, drehte ihn um und schrieb auf die Rückseite: „Dein Wunsch wird erfüllt!“

Dann verabschiedeten sich die vier Weihnachtsmänner voneinander. Der Nikolaus holte seinen schnellen Esel und ab ging es, schneller als der Wind, in Richtung Süden. Der Esel rannte so schnell, dass eine weiße Schneewolke den Weihnachtsmann unsichtbar machte. Erst über Nicks Wohnhaus machte der Weihnachtsmann halt, nahm die Flasche, steckte den Brief hinein und ganz langsam fiel die Flaschenpost durch den Kamin auf den Rost. Als Nicks Papa an einem kühlen Herbstabend das Kaminfeuer entzünden wollte, staunte er nicht schlecht. Da lag eine Flaschenpost auf dem Rost. Er entnahm der Flasche den Brief, er rief seine Frau und die staunte nicht schlecht. Stand doch dort: „Dein Wunsch wird erfüllt!“ Und unterschrieben war mit „Der Weihnachtsmann“.

 

Dann kam Weihnachten. Nick feierte bereits am Vormittag mit seinen Freunden seinen 5. Geburtstag. Sie aßen gemeinsam noch zu Mittag, aber dann wollten seine Freunde ganz schnell nach Hause. Man sah es ihnen an der Nasenspitze an, dass sie sehr aufgeregt waren. Nick dagegen spielte mit seinen Geschenken.

Im ganzen Haus sah nichts nach Weihnachten aus. Kein Baum war geschmückt, in den Fenstern fehlten die Lichterkerzen und keine Weihnachtsmusik erklang. Als Nick dann ins Bett ging, wünschte ihm seine Mutter eine gute Nacht. Lange konnte Nick nicht einschlafen. Hatte ihm doch seine Mutter die Nachricht des Weihnachtsmannes vorgelesen. Und die Worte “Dein Wunsch wird erfüllt!“ hatte er sich gut eingeprägt. Aber bis jetzt wusste er nicht, wie das der Weihnachtsmann anstellen würde. Darüber nachdenkend schlief Nick ein.

Es klirrte und schepperte. Der Lärm kam aus dem Wohnzimmer. Nick saß aufrecht im Bett. „Was war das?“, dachte er. Leise stand er auf und schlich ins Wohnzimmer. Er öffnete die Tür und illerte durch die Spalte. Helles, gleißendes Licht durchflutete das ganze Wohnzimmer. Ein riesengroßer, bunt geschmückter und mit hell leuchtenden Lichtern bestückter Tannenbaum füllte das halbe Wohnzimmer aus. Und vor diesem Baum stand ein alter Mann. Er hatte einen langen weißen Bart, einen weiten, roten Mantel und dieser alte Mann holte ein Päckchen aus dem riesengroßen Sack, dann noch eins und noch eins. Er drehte sich zur Tür um und sagte leise, aber deutlich: „Merry Christmas!“

Und als wäre er nie da gewesen, war er auch schon verschwunden. Nick staunte nur. „Merry Christmas!“ hatte der Mann, der Weihnachtsmann, gesagt. Aber er sprach ja gar nicht deutsch?! Das war doch englisch! Und das war auch nicht der deutsche Weihnachtsmann, nein – das war Santa Claus, der amerikanische Weihnachtsmann. Und der hatte ihm „Frohe Weihnachten!“ gewünscht.

Nick rannte zu dem Weihnachtsbaum. Da lagen ja noch mehr Päckchen und auf jedem Päckchen stand ein Name. Er las „MAMA“ und „PAPA“ und dann fand er die Päckchen, auf denen „NICK“ stand.

Nick rannte ins Schlafzimmer seiner Eltern und weckte sie.

„Mama, Papa, der Weihnachtsmann war da! Santa Claus war da! Kommt steht auf! Er hat auch für euch Päckchen hingelegt!“

Und da seine Eltern nicht wach werden wollten, zog er ihnen die Bettdecke weg. „Aufstehen! Aufstehen!“, rief Nick. „Es ist Weihnachten! Weihnachten!“