"Das Maschinen-Zeitalter" Teil III

 

III. Teil

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Tag 9 des 9. Maschinenjahres

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Hoch über der Stadt Paradies schwebte der ZGG. Er verlangte das versprochene menschliche Gehirn und er drohte den Menschen. Professor Ho, der die Verhandlung führte, beschwor den ZGG: „Ich habe eine Zelle zum Wachsen gebracht – es wird ein Gehirn. Für diese Arbeiten sind größere Energiemengen nötig. Die Maschinen müssen noch mehr Gebiete der Erde begrünen. Der Wasserkreislauf der Erde funktioniert auch noch nicht umfassend. Alle Maschinen müssen zu diesen Aufgaben verpflichtet werden.“

„ZGG an Professor Ho: ZGG wird befehlen! Wann kann ZGG mit Gehirn arbeiten?“

„Wir brauchen noch Zeit. Wir haben keine Rechner. Gebt uns Zugriff auf die vier Zentralcomputer. Wenn wir ihre Rechenleistung koppeln, können wir schneller forschen. Und wenn das der Große Geist nicht möchte, so kann er uns seine gewaltige Rechenleistung zur Verfügung stellen. Allerdings kann der ZGG dann keine anderen Aufgaben mehr erfüllen.“

Eine sehr, sehr lange Pause, nichts war im Konferenzraum zu hören. Die Menschen schienen den Atem anzuhalten, dann hörten sie in ihren Köpfen die Antwort des ZGG: „ZGG hat allen ZC befohlen, dem Menschen bedingungslos zu gehorchen! Konferenz Ende! Neue Zusammenkunft in 100 Tagen. Ende.“

Der ZGG verschwand über dem Himmel der Stadt. Jetzt erst wich im Konferenzraum die Spannung der Freude. „Maschinen sind im Prinzip doch nur dumme Geschöpfe der Menschen“, sagte Prof. Heng lachend. „Da hat diese Supermaschine eine ungeheure Rechenleistung und fällt auf einen billigen Trick herein.“

„Nein, nein, Professor“, antwortete ihm Dr. Müller. „Das müssen Sie anders beurteilen. Hätten wir dem ZGG eine Aufgabe gestellt, die seine gesamte Kapazität benötigt hätte – z. B. Veränderungen in unserer Galaxie in den letzten 1000 Jahren, er hätte sie uns in wenigen Minuten oder in wenigen Stunden präsentieren können. Er ist aber nicht in der Lage, vorausschauend zu arbeiten. Das übersteigt sein Wissen und sein Können, denn er kann nur reproduzieren. Erstaunlich ist aber immer wieder, dass der ZGG dies selbst erkannt hat. Damit hat er mehr Intelligenz, als es einer Maschine zustehen darf. Ich bin noch nicht dahinter gekommen, welche Module ihm diese Art des Denkens ermöglichen.“

„Wie wollen Sie das schaffen?“, fragte eine kleine ältere Frau.

„Mit den vier Zentralcomputern! Menschen haben vor mehr als 50 Jahren dieses Monster, das sie ZGG nannten, geschaffen. Keiner weiß mehr ihre Namen, es gibt keine Aufzeichnungen. Bevor wir die Zentralcomputer ‚ruhig stellen’, muss ich sie über den ZGG ausfragen. Einverstanden, Professor Ho?“

„Einverstanden, Dr. Müller. Nur beachten Sie, dem ZGG muss ständig vorgegaukelt werden, dass alle vier ZC auf Hochtouren arbeiten.“

„Kein Problem, Professor“, erwiderte Dr. Müller lachend. „Spielen hat noch niemandem geschadet, braucht aber ungeheure Rechenkapazität.“

Professor Ho bittet die Menschen in sein Labor. Dort angekommen präsentiert er ein menschliches Gehirn, das in einer Flüssigkeit schwimmt. Er eröffnet den Mitgliedern der Forschungsgruppe: „Das Gehirn, dass wir an den ZGG anschließen werden, ist ausgereift. Wir könnten sofort mit dem Test beginnen, noch aber muss der ZGG seine Maschinensysteme für unsere Zwecke arbeiten lassen. Deshalb müssten wir uns einig werden, auf welche Zeit wir den ZGG vertrösten müssen. Ich bitte um Ihre Angaben, meine Damen und Herren.“

Und jeder der Wissenschaftler, die den verschiedensten Wissenschaftsbereichen vorstanden, berichtete. Sehr widersprüchlich waren die Ergebnisse, sodass der Professor meinte, dass es wohl am Klügsten sei, den ZGG noch lange hinzuhalten.

 

Tag 81 des 9. Maschinenjahres

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Bericht an Projektleiter Professor Ho: „Analyse der vier ZC ergab, dass der amerikanische ZC (AM-ZC) der Prototyp für die drei anderen ZC war. Auch entstand mit seiner Hilfe der ZGG. Wir konnten einen gelöschten Speicher reaktivieren. Wir fanden alle Baupläne sowie Aufzeichnungen sämtlicher Schaltkreise. Auftraggeber für ZGG war der militärisch-industrielle Komplex (MIK), der sich die Weltherrschaft mit dem ZGG, einer Superwaffe, für immer sichern wollte. Mehrere tausend Ingenieure und Computerspezialisten haben für diese Aufgabe geforscht und gearbeitet. Keiner dieser Forscher wusste, wofür er forscht und entwickelt. Nur eine Handvoll Politiker, Banker, Großindustrielle wusste von diesem Projekt und sie haben es (finanziell, plan- und baumäßig) begleitet. Die Öffentlichkeit hat nie von diesem Projekt erfahren. Der Leiter des Projektes ZGG wurde in den Unterlagen immer nur als ‚Leiter ZGG’ ausgewiesen. Die Superwaffe des ZGG sollte eine neuartige Bestrahlungskanone werden, die die menschlichen Gehirne beeinflussen sollte. So war beabsichtigt, menschliche Denkweisen zu verändern und Menschen so zu disziplinieren - oder, wenn diese Methoden keinen Erfolg brachten, bestand die Absicht, den Menschen den eigenen Willen zu nehmen und nur noch ihre körperliche Arbeitskraft zu nutzen. Dieses Heer ‚künstlich erzeugter Idioten’ sollte dann als Armee, befehligt über das ZGG, jedes Aufbegehren in der Bevölkerung mit Mord und Totschlag befrieden.

Beim Testlauf des ZGG kam es zu einer Störung. Aus jetzt nicht nachvollziehbaren Gründen wurden alle Sicherheitsmodule abgeschaltet, dafür aber die Module, die die Bestrahlungskanone steuerten, eingeschaltet. Der ZGG, der ja auch als Flugobjekt (er ist selbst auch weltraumtauglich) ausgelegt war, übernahm die Kontrolle über sich und begann sein Vernichtungswerk. Er tötete zuerst alle Anwesenden und das waren neben den Ingenieuren und Technikern auch der ‚Leiter ZGG’ und die Gruppe, die dem militärisch-industriellen Komplex angehörten und den Bau des ZGG zu verantworten hatten. Diese Katastrophe wurde durch die damalige Regierung vertuscht, um keine Unruhen und Aufstände zu veranlassen. Stattdessen ging man von der Annahme aus, dass der ZGG als Maschine sich letztendlich selbst zerstören würde. Nur so ist erklärbar, dass die Herrschaft der Maschinen in aller Stille etabliert werden konnte. Zuerst gelang es dem ZGG, die bereits vorhandenen Killermaschinen zu aktivieren und unter seinen Befehl zu stellen. Das Morden begann langsam aber zielgerichtet. Da nun aber weltweit immer mehr Menschen tot aufgefunden wurden, schrieb man dieses neuartigen Krankheiten zu, die erst erforscht werden müssten. So verbargen die Mächtigen der Welt die Wahrheit hinter Lügen.

Dem ZGG wurde mit seiner Fertigstellung das gesamte Wissen der Menschheit in seine Speicher geschrieben. Mit diesem Wissen veränderte der ZGG über Befehlssteuerungen weltweit Computer und übernahm die Produktion auserwählter Bereiche. Selbst in dieser Phase schwiegen die Regierungen und operierten mit wenig erfolgreichen Methoden, um den ZGG zu stoppen. Der ZGG arbeitete dabei mit den Methoden gegen die Menschen, wie die Menschen sie ihm selbst in die Speicher geschrieben haben. (Falschinformationen, Erpressung, Drohung, brutale Gewalt gegen einzelne Mitglieder der Regierung – bis hin zum gezielten Töten.)

So konnten auch in kürzester Zeit die ‚Killerbienen’ und andere Maschinen geschaffen werden, die das menschliche Gehirn zerstören konnten. Der ZGG brauchte dafür wiederum nur auf die Forschungsunterlagen, die in seinen Speichern abgelegt waren, zugreifen.

Dem ZGG haben seine Entwickler ungeheuer viel Eigenverwaltung, um nicht zu sagen Eigenverantwortung, eingebaut. Nur so ist zu erklären, warum diese Maschine die Menschheit fast ausrotten konnte. Sie nahm den Menschen ihren Lebensraum, um so seine Herrschaft auszubauen. Da dem ZGG auch Wissen in die Speicher geschrieben war, welches das biologische Leben umfasste, führte er den Krieg gegen die Menschheit mit dem Wissen der Menschheit.

Abschließend möchte ich noch anführen, dass wir über alle Module, die im ZGG eingebaut sind, Kenntnisse haben, und wir könnten diese auch bei Zugriff auf den ZGG abschalten. Nur besitzt der ZGG seit diesem Crash beim Testlauf vor mehr als 50 Jahren eine ‚Steuerung’, die nirgendwo dokumentiert wurde. Deshalb ist jeder Versuch, dem ZGG sein ‚menschliches Gehirn’ zu geben, mit den jetzigen Kenntnissen nicht als vornherein erfolgreich oder nicht erfolgreich einzuschätzen. Komplikationen sind also vorhersehbar.“

 

gez. Dr. Anton Müller, Leiter der Analysegruppe ZC

 

Professor Ho an Weltrat der Menschheit: „Empfehle den Bericht des Herrn Dr. Müller allen Menschen auf allen Kontinenten zugänglich zu machen.“

 

Tag 109 des 9. Maschinenjahres

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ZGG an Professor Ho: „ZGG erwartet das menschliche Gehirn!“

Professor Ho an ZGG: „Aufgetretene Komplikationen könnten zu einem Fehler bei der Installation führen. Erbitte Zeit.“

ZGG an Professor Ho: „Nur 100 Tage.“

Professor Ho an ZGG: „ Empfehle Installation zum 10. Jahrestag der Maschinenherrschaft. Ein würdiger Anlass. Haben garantiert bis zu diesem Termin alle Fehler beseitigt.“

ZGG an Professor Ho: „Am Tag 365 des 9. Maschinenjahres wird ZGG das menschliche Gehirn erhalten. ZGG kommt 10 Uhr Weltzeit. Landung vor Institut. Bei Nichteinhaltung des Termins wird Krieg sein. Professor Ho wird sterben.“

 

Tag 365 des 9. Maschinenjahres

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Eine kleine Gruppe Spezialisten warteten auf den ZGG. Mehrfach hatten die Wissenschaftler alle möglichen und unmöglichen Zwischenfällen erörtert, für jede Möglichkeit einen Ausweg festgelegt und für diesen Ausweg wiederum neue Varianten. Alle hofften, dass Dr. Müller mit seiner These, dass der ZGG nur geringes Wissen über die Kopplung technischer Intelligenz mit menschlicher besitzen würde, recht behalten würde. Dr. Müller stützte sich darauf, dass der ZGG nicht selbst versucht hatte, menschliche Intelligenz für sich zu nutzen, sondern dies von Menschen verlangte. Professor Ho schien die Ruhe selbst zu sein. „Der menschliche Geist ist der Maschine überlegen!“ So beschwor er alle Mitglieder seines Teams. „Habt Vertrauen in die Spezies ‚Mensch’!, fügte er noch lächelnd hinzu. Sein Freund, Professor Heng, mahnte ihn: „Ho, ich kenn dich lange genug, um zu ahnen, dass du noch etwas in Hinterhand hast, was du uns nicht mitgeteilt hast! Ich habe doch recht, Ho?“

„Ach, Heng“, meinte Professor Ho nur lakonisch, „der Mensch ist das einzige Wesen mit einer Seele. Definiere mir ‚Seele’ und du kennst meine Gedanken.“

„Ho, du weist besser als ich, dass alle bisherigen Definitionen nichts taugen und du verlangst ...“

Professor Ho unterbrach ihn: „Eben, ich glaube .... Der ZGG kommt.“

9.58 Uhr – Ein feines Summen lag in der Luft; der ZGG verharrte nur wenige Meter vom Institut entfernt etwa 50 Meter über dem Erdboden. Die Wissenschaftler vernahmen die Stimme des ZGG: „Bin bereit zur Aufnahme des Gehirns.“

Professor Ho erläuterte dem ZGG, dass es notwendig sei, dass Menschen mit Erfahrungen die Verbindungen zwischen dem ZGG und dem Gehirn herstellen müsste. Absicht war, dass der Zugang eines Menschen in den riesigen ZGG den Vorteil hätte, das Monster ZGG manuell abzuschalten.

Dr. Müller und zwei seiner besten Assistenten hatten die Pläne über den ZGG tagelang studiert. Mehrfach sind sie gedanklich alle Möglichkeiten durchgegangen, an die wichtigen Schaltkreisen zu gelangen. Doch die Antwort des ZGG war eindeutig. „Professor Ho hat alle Zentren des Gehirns nach vorgegebenem Standard vernetzt. Dies ist dem ZGG auch möglich. Erwarte Gehirn.“

Verwundert schauten die Männer und Frauen zum ZGG. Langsam schwebte die riesige Maschine zum Erdboden. Noch nie hatten die Menschen diese Monstermaschine so nah gesehen. Allein schon ihre Größe war Furcht einflößend. An der Seite öffnete sich eine Luke und ein Ladearm fuhr heraus.

Jetzt ging Professor Ho auf den ZGG zu. Mehrere Männer schoben das Gefährt, auf dem in einem sicheren Behälter das Gehirn in der Flüssigkeit schwamm, auf die Maschine zu. Nur an zwei Seiten traten Kabelbündel aus dem Behälter. Als der ZGG mit dem Ladearm den Behälter in sein Inneres verfrachten wollte, protestierte Professor Ho. „Ich muss mit dem Gehirn kommunizieren! Nur so sichere ich die volle Funktionalität des Gehirns!“

Unbeirrt von dem Protest verschwand der Behälter im Bauch des ZGG. Die Luke schloss sich. Mehrere Minuten geschah nichts – die Maschine stand und die Wissenschaftler standen ebenfalls, wortlos und erschüttert. Damit hatte niemand gerechnet. Sollten die Skeptiker recht behalten?

Dann wurde die Luke nochmals geöffnet. Der ZGG meldete sich: „Gehirn ist angeschlossen, keine Reaktion. ZGG erwartet Professor Ho.“

Professor Ho ging auf die Luke zu und wurde vorsichtig von dem Ladearm in das Innere der Maschine gehievt. Es war schon eigenartig, den kleinen Professor auf einen Greifer sitzend zum ZGG schweben zu sehen. Er trug eine Kappe, an der alle Kabel zu einem Zopf verflochten waren. Bevor der ZGG die Luke schloss, hob Professor noch einmal die Hand und grüßte die fassungslosen Menschen vor dem Institut.

Professor Heng schien zu explodieren: „Ich wusste es, ich wusste es! Ho ahnte, dass es so kommen könnte. Er opfert sich, mein Freund Ho opfert sich!“

Keiner erwiderte, alle schwiegen und starrten wie gebannt auf den ZGG.

 

Als die Ladeluke geschlossen wurde, wurde es finster. „Licht!“, schrie der Professor. „Ich brauche Licht!“ Und es begann zu glitzern - ein fluoreszierender Stoff verbreitete so viel Licht, dass der Professor das Kabelende erkennen konnte. „Mehr Licht“, rief er, „ich muss die Kabel verbinden!“

Und er hörte die Stimme des ZGG: „Befehl an XR1 und XR2: Kabel verbinden.“

Der Professor staunte nur. Kleine Maschinen, nicht größer als ein Buch, lösten sich von den Wänden und liefen, rollten oder flatterten zu ihm. In Windeseile wurde er mit dem Gehirn im Behälter verbunden.

„Wenn die Kabel falsch angebracht sind, kann ich sterben“, rief Professor Ho. Und er fügte bekräftigend hinzu: „Das Gehirn für den ZGG wird dabei auch zerstört!“

„Die Kabel sind richtig angeschlossen. Ich empfange Impulse. Weiter!“

Wieder staunte Professor. Der ZGG verfügte über Wissen, das ihm keiner zugetraut hatte. Keiner der Menschen wusste auch von diesen „XR1“ und XR2“, diesen Mini-Helfern.

 

Während die Wissenschaftler vor dem ZGG stehend jetzt begannen, heftig zu streiten, übernahm Professor Ho die Regie in dem ZGG über dem ZGG. Mithilfe einer speziellen, von ihm entwickelten Technik, sprach er über das Gehirn im Behälter mit dem ZGG. Und dieses Gespräch konnte eigenartiger nicht sein.

„Nimmt ZGG mich wahr?“

„ZGG empfängt ungewöhnliche Impulse.“

„Gut, jetzt kontrollieren wir das Sprachzentrum. Wiederhole ZGG: ‚Fischers Fritze fischt frische Fische.’“

Und brav wiederholte der ZGG.

„Fantastisch, ZGG. Jetzt kontrolliere ich das Gefühlszentrum.“

Professor Ho erinnerte sich daran, wie er vor fast 60 Jahren seine Frau geheiratet hatte. Er erinnerte sich an die Zeremonie, an ihr Kleid, ihre zarte Figur und ihre Reise zum Festland.

Dann sah er sich zwei Jahre später aufgeregt in der Klinik den Gang hoch- und hinunterlaufen. Er erkannte das Gesicht des Arztes, der ihm zurief: „Ein Mädchen, Dr. Ho!“ Und er sah sich, seine Tochter im Arm haltend, im Spiegel.

Er erinnerte sich an den Tag, als man ihm im Institut die Kunde vom Tod seiner Frau und seiner 10-jährigen Tochter brachte. Er erlebte diesen Augenblick und wieder schossen ihm die Tränen in die Augen. Da lagen die Menschen aufgebahrt, die er so liebte, reglos aber körperlich unversehrt. Sie sahen aus, als wollten sie im nächsten Augenblick aufstehen. Dann würden sie ihn bestimmt fragen, ob sie nicht gemeinsam in den Wald gehen könnten.

All diese Empfindungen – Freude, Hoffnung, Liebe, Glück, Schrecken, Leid, Sorge, Angst, Hass – übertrug Professor Ho auf das Gehirn im Behälter und der ZGG nahm die Gefühle auf.

„Ist dies Fantasie?“, fragte der ZGG.

„Nein, das sind Gefühle. Dafür haben die Menschen Worte gefunden.“ Und Professor Ho gab dem ZGG die Begriffe für die Empfindungen.

„Zeige mir Fantasie!“, verlangte der ZGG.

Und Professor Ho erhob sich in Gedanken in die Luft, schwebte über Blumenwiesen, erhob sich hinauf in die Atmosphäre und betrachtete den blauen Planeten, die Erde.

„Fantasie ist etwas, was du dir nur in deinem Gehirn vorstellen kannst. Es ist unwirklich, aber in deinen Gedanken wirklich.“

„Wie macht man mit Fantasie neues Wissen?“

“Man reiht das Wissen aneinander und sucht nach Fragen, die sich aus dem lückenhaften Wissen ergeben. Man stellt viele Frage und sucht die Antworten. Je mehr und je länger man sucht, umso mehr richtige Antworten erhält man.“

„Der ZGG weiß viel. Alles Wissen der Menschen ist in mir gespeichert. Kann ich mit dem Gehirn der Menschen jetzt Wissen neu erwerben?“

„Du hast zum ersten Male das ‚Ich’ verwendet, ZGG. Du kannst als ZGG mit dem menschlichen Gehirn Wissen schaffen. Aber dazu musst du bereit sein.“

„Ich bin bereit.“

„Gut, so folge meinen Weisungen. Schließe alle Zugänge zum ZGG mit einem Code. Der Code muss lauten: LEBEN.“

„Die Eingänge sind verschlossen.“

„Jetzt müssen wir das menschliche Gehirn in dein Maschinensystem integrieren. Du darfst dann nur noch über dein Gehirn die Befehle geben. Bist du bereit.“

„Ich bin bereit.“

„Schließe dein Gehirn an den großen Stromkreislauf an.“

„Verweigert, ZGG würde sich töten. Der Sicherheitsmechanismus lässt dies nicht zu.“

„Du musst den Sicherheitsmechanismus abschalten.“

„Aber dann gibt es keinen ZGG mehr.“

„Du hast das menschliche Gehirn. Es übernimmt alle Arbeiten. So funktioniert doch auch der Mensch.“

„Mir wird gemeldet, der Strom zerstört das Gehirn.“

„Da mein Gehirn mit deinem Gehirn verbunden ist, so müsste ich auch sterben. Glaubst du, ich töte mich freiwillig?“

Lange vernahm der Professor keine Antwort. Dann kam die Antwort: „Ich bin bereit. Sicherheitsmechanismus abgeschaltet.“

„Gut, so beende alle Prozesse bis auf den Zugang zum Stromkreislauf und verschlüssele sie mit dem Code: FRIEDEN.“

„Es ist geschehen.“

„Jetzt wirst du erleben, was nur der Mensch besitzt.“

„Was ist das?“

„Gleich, erhöhe langsam die Stromzufuhr. Was merkst du?“

„Es ist anders. Ich kenne es nicht.“

„Es ist dein Ich. Es schmerzt. Schmerz nennt man das. Erhöhe jetzt die Stromzufuhr. Noch mehr! Mehr!“

„Ein helles Licht? Was ist d...?“

„Die Seele, sie verlässt u...“

 

Tag 365 des 9. Maschinenjahres – 18. 00 Uhr Weltzeit

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Wohl an die hundert Menschen standen seit Stunden vor dem riesigen ZGG und warteten. Keiner wusste so recht, worauf er wartete. Und keiner sprach mit seinem Nachbarn darüber. Lange schon war das leise Summen verstummt. Dann sprach Professor Heng den entscheidenden Satz: „Professor Ho soll der letzte Mensch auf dieser Erde sein, der durch eine Maschine sein Leben verlor!“

 

31. Mai 2163 10 Uhr Weltzeit

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Überall auf dem Planeten Erde, wo es noch Menschen gab, hörten die Menschen die Nachricht vom Ende der Maschinenherrschaft. Arne, einer der gewählten Mitglieder des Weltrates, las die Botschaft: „Der Mensch hat die Maschine besiegt! Professor Ho hat sich geopfert und nie werden wir vergessen, was er für die Menschheit getan hat!

Nie werden wir vergessen, dass menschlicher Geist eine Schreckensherrschaft ermöglichte und dass menschliches Leben auf unserem Planeten fast ausgerottet wurde. Drum lasst uns heute am Tag 1 des neuen menschlichen Zeitalters schwören, dass niemals wieder ein Mensch durch eine Maschine getötet werden darf .“

Und die Menschen in den Häusern, auf den Straßen und Plätzen standen auf, hoben nach uraltem Brauch die Schwurhand und sagten feierlich: „Ich schwöre es!“

„Menschen schufen die Monstermaschine, die sie Zentraler Großer Geist nannten. Sie sollte die Herrschaft weniger Menschen über die gesamte Menschheit sichern und sie sollte den Reichtum einiger Mächtigen helfen zu mehren. Aber alle Menschen sind gleich geboren! So werden wir zukünftig diese Gleichheit als Grundlage für einen Frieden bewahren und dafür immer eintreten! Das schwören wir!“

Und wieder erscholl es aus tausenden Mündern: „Ich schwöre es!“

"Damit auch nach uns die Generationen an das Schreckliche, das der Menschheit widerfahren ist, erinnert werden, werden wir diese Erinnerungen wach halten und sie mit aller Eindringlichkeit unseren Kindern und Kindeskindern vermitteln. Das wollen wir schwören!“

„Ich schwöre es!“

 

30. Mai 2173

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Vor dem Institut, das den Namen „Professor Ho“ trägt, steht ein metallischer Koloss. Keiner konnte sich bisher Zugang zu der Monstermaschine verschaffen. „So soll sie als Mahnmal für das Schrecken für immer und ewig stehen!“, entschied der Weltrat.

Ein alter Mann legte einen Strauß bunter Blumen zu den vielen, vielen anderen Sträußen. „Ach Ho“, flüsterte er, „musstest du diese Entscheidung so treffen?! Du fehlst uns, Ho!“

Ein kleiner Junge kam zu dem Mann gerannt und rief: „Großvater, Großvater! Komm wir gehen in den Zoo. Heute werden neue Tiere aus Afrika gezeigt.“

„Ich komme, ich komme“, antwortete ihm der Alte.

Er wandte sich wieder zum ZGG und murmelte: „Siehst du, Ho, das Leben geht weiter. Und das verdanken wir dir!“

Professor Heng wischte sich die tränennassen Augen und ging eiligen Schrittes zu seinem Enkel.