Was ist die Wahrheit?

Was ist die Wahrheit?

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von Joachim Größer (2012)

 

Wenn Klein-Max in die Windeln gemacht hat und schreit, so will er gesäubert und umsorgt werden. Wenn der Vater sagt: „Ich habe Durst! Ich geh‘ in die Wirtschaft!“, will er sein Bier trinken, aber Durst hat er keinen. Er könnte ja seinen Durst am klaren Leitungswasser stillen! So ist nun „der Durst des Vaters“ nur eine relative Wahrheit. Klein-Mäxchens volle Windeln sind Tatsachen, braun und stinkend und noch nass dazu. Das muss absolut entfernt werden. Deshalb schreit ja Max, der Kleine. Mäxchen kräht die absolute Wahrheit hinaus.

Aber Mäxchens Schreien verkörpert auch nur die relative Wahrheit, denn schnell hat er festgestellt, Schreien hilft, Mama kommt und ich bin nicht allein. Also schreit er auch bei jedem Pups, laut und kräftig.

Und wenn Vater am nächsten Morgen klagt: „Ich habe einen Durst!“, dann ist das absolut richtig, denn jeder „Kater“ muss begossen werden!

Und wenn Sie sich jetzt über volle Windeln und dursthabende Väter wundern, so ist das durchaus objektiv richtig. Wobei Sie gleichzeitig denken können: „Was ist das für ein Quatsch!“ Das wäre jetzt aber subjektiv, denn Ihre Ehefrau könnte jetzt sagen: „Das ist schon richtig! Das ist die Wahrheit! Immer, wenn du Leitungswasser trinkst, warst du am Abend vorher in der Kneipe!“

Und so wie sich jetzt Mann und Frau streiten könnten, so streiten sich schon seit mehr als 2.000 Jahren kluge Männer, die sich Philosophen nennen, um diese „Wahrheit“. Und - haben sie die Wahrheit gefunden?

Aristoteles bestimmte die Wahrheit als Übereinstimmung der Erkenntnis, genauer der Aussagen, mit der Realität. Und das hört sich dann so an: „ Wahr ist, vom Seienden zu sagen, es sei, und vom Nichtseienden, es sei nicht. Also wird jeder, der sagt, etwas sei, oder sagt, etwas sei nicht, entweder wahr oder falsch reden.“

So, jetzt haben Sie garantiert die Wahrheit verstanden – oder?

Lassen wir die alten Philosophen weiter philosophieren. Wenden wir uns wieder der Gegenwart zu. Da gibt es sehr Interessantes zu vermelden: Menschen nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau! Dann sagt man Lüge dazu. Und wenn eine Lüge als Wahrheit „verkauft“ wird, so ist garantiert die Politik oder Geld im Spiel. Viele der Kriege - in der Antike, im Mittelalter und in der Neuzeit – sind mit einer Lüge begründet und begonnen worden. Zuletzt war das der Krieg im Irak. Bestimmt erinnern Sie sich noch an die vielen Massenvernichtungswaffen der „bösen“ Iraker, die die Menschheit bedrohten?! Nur – wo waren sie, diese furchtbaren Waffen? Die Wahrheit ist, die „guten“ Iraker haben viel Öl!

Manchmal kommt eine Lüge auch als schlechter „Witz“ daher. So geistert noch heute der Ausspruch eines Ex-Verteidigungsministers in den Medien, der da lautete: „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt!“

Wie werten Sie die Aussage eines anderen ehemaligen Politikers.

So hat Herr Köhler am 22. Mai 2010 in einem Radio-Interview (anlässlich eines Besuches bei der Bundeswehr in Afghanistan) gemeint, dass es auch notwendig sein kann, dass die Bundeswehr im Notfall auch eingesetzt werden kann, um deutsche Interessen, gemeint sind Wirtschaftsinteressen, zu wahren.

Ist dies nun wahr?  Sind wieder einmal deutsche Soldaten, wie in der deutschen Geschichte schon so oft, für Profite und Einflusssphären gestorben? Wurde für diese Aussage Herr Köhler angefeindet? Verließ er deshalb die politische Bühne?!

Es gibt auch viele Beispiele dafür, dass die Menschen belogen werden wollen, weil nämlich die Wahrheit „zu wahr“ ist, weil sie weh tut.

Und es gibt auch Menschen, die so prächtig lügen können, dass sich „die Balken biegen!“ Ein treffliches Beispiel dafür wäre ein honoriger blaublütiger Freiherr, der zu Recht als Lügenbaron bezeichnet werden konnte. Nun – an wen denken Sie?

Nein, den meine ich nicht! Ich meine den hochangesehenen Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen. Legendär sind die Kaminabende des Freiherrn. Freunde wurden eingeladen und lauschten den erfundenen Geschichten. Und obwohl nachweislich nur 4 Geschichten dem Münchhausen zuerkannt werden, unter dem Namen des Lügenbarons wurden mehr als 100 Lügengeschichten erzählt. Verantwortlich dafür waren die Schriftsteller. Und wenn Sie heute den Namen Gottfried August Bürger hören, dann könnte es sein, Sie erinnern sich an das Büchlein dieses Herrn, das da lautet:  „Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande – Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“.

So kann man auch mit Lügengeschichten bekannt und berühmt werden.

Westeuropäische Politiker berufen sich gern auf die sogenannte „abendländische Kultur“, die vom Christentum geprägt sei. Dabei wird besonders Positives, z. B. wie durch die Klöstergründungen die wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben wurde, herausgestellt. Die andere Seite des Christentums ist der Stillstand – das Beharren auf das Alte, auf das Hergebrachte. Wenn man wissentlich mehr als 300 Jahre lang leugnet, dass die Erde sich um die Sonne bewegt, ist das dann eine Lüge? Eine christliche Lüge? Haben all die vielen Päpste, die doch die Weisheit eines Gottes verkünden, Angst vor der Wahrheit gehabt? Warum? Haben sie so versucht, die Wahrheit aufzuhalten? Und wie haben sie es mit dem 8. Gebot gehalten: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden …?“

Und was soll man von einer Lehre halten, die heute im 21. Jahrhundert noch immer verkündet, dass das Weltall, die Gestirne, das Leben auf der Erde so entstanden ist, wie es in der Bibel steht. Kreationismus nennt man diese Lehre und Millionen Menschen vorwiegend in den USA sind gläubige Anhänger.

Solche Lehrmeinungen nennt man Dogmen. Ist nun ein Dogma eine Lüge?

Kann man, liebe Leser, mit der objektiven Wahrheit lügen? Sie meinen: „Das dürfte nicht gehen.“

Nun, die moderne Medienpsychologie macht‘s möglich.

Eine Methode, die sich auch ganz besonders in der Zeit des Kalten Krieges benutzen ließ, wird auch heute noch gern und häufig angewandt. Man nimmt ein echtes wahres Bild und setzt einen falschen Kommentar dazu. Schon ist aus der Wahrheit eine Lüge geworden.

Mit der heutigen PC-Technik und den Bildbearbeitungsprogrammen macht man ganz schnell aus einem Menschen mit „einem Kopf“ einen, der „drei Köpfe“ hat und verkauft dies als wahr!

Solche Beispiele gibt es fast jeden Tag zu bestaunen. Auch so mancher Werbeslogan kräht seine „Wahrheit“ über ein Produkt in die Welt der Verbraucher. Unabhängige Tester zeigen dann häufig das Gegenteil auf. Und trotzdem sind die Verbrauer bereits so durch jahrelange „Berieselung“ manipuliert, dass sie trotz besseren Wissens den Schund weiterhin kaufen. So wird teilweise in den Unternehmen mehr Geld für die Werbung als für die Forschung ausgegeben.

Und man hat noch einige andere Varianten der Manipulation entwickelt. Z. B. sagt man die Wahrheit, lässt aber einen Teil der Wahrheit weg. So wird aus der ganzen Wahrheit eine Halbwahrheit und die wäre dann doch nur unwahr!

Oder man berichtet gar nicht über ein Ereignis und sei es noch so wichtig. Denn diese Tatsache passt nun mal nicht in die politische Strategie der Verantwortlichen! Also verschweigt man - man vertuscht: Was nicht ist, das ist nicht!!!

Man kann auch die sogenannte Wahrheit scheibchenweise von sich geben. Vielleicht denken sich diejenigen, dass man ja den Menschen die ganze Wahrheit nicht zumuten könne? Vielleicht regt das die Bürger zu sehr auf oder sie verstehen das gar nicht? Und warum sollte man die lieben „Untertanen“ mit solchem Kleinkram aufregen?  Politik ist doch letztendlich nur für Politik-Profis durchschaubar. Und außerdem handelt man nur nach dem Jahrhunderte alten Motto: Man predigt öffentlich Wasser und trinkt heimlich Wein! Und so war das doch schon immer!!!

Ja, woran erkennt man denn nun die Wahrheit? Jetzt muss ich doch noch einmal auf Mäxchens volle Windeln zurückkommen, denn die Praxis – also das Ergebnis – ist immer das einzig richtige Kriterium der Wahrheit.

Auch Sie können im Jahr 2012 selbst überprüfen, ob eine Aussage auch wirklich wahr ist. So haben doch die alten Mayas für den 21. Dezember 2012 den Weltuntergang vorhergesagt. Auch wenn Sie uns nicht mitgeteilt haben, ob der Weltuntergang nach Mittelamerikanischer oder Londoner oder Mitteleuropäischer oder Wladiwostoker Zeit oder … stattfindet, wenn Sie noch am 22. Dezember auf dieser unserer Erde leben, dann haben sich die Mayas geirrt. Gott sei Dank – diese Erde ist zu schön, als dass sie untergehen dürfte!!!

Es sei denn, einige selbst vor dem eigenen Untergang nicht zurückschreckende Politiker stürzen unseren Blauen Planeten in eine atomare Katastrophe. Ja dann … dann könnten die alten Mayas doch noch Recht behalten. Nur wer könnte dann noch kontrollieren, ob es wahr ist oder doch ein Irrtum? Intelligentes Leben wäre ja ausgelöscht! Vielleicht ein Gott, der die Menschheit neu erschaffen könnte? Nur Gott blieb bisher nur seinen Anhängern als Glauben erhalten und Glauben ist kein Ergebnis. Glauben ist die „Möchtegernwahrheit“ – keine wahre Tatsache!

Leider wird wohl keiner, auch nicht die Jüngsten, die diese Zeilen lesen, eine Welt erleben, indem der Mensch sein Intellekt nur für den Menschen einsetzt und Kriege endgültig geächtet sind. Es wird noch viele Jahrzehnte dauern, aber dann wird der Mensch – und daran möchte ich glauben – wirklich „Herr und Meister“ des Universums. Und damit hat der Glauben für das Individuum seine Berechtigung. Und wenn der Glauben der Menschen an eine bessere Welt sich mit Tatkraft verbindet, dann könnte man, um mit Aristoteles zu sprechen, sagen: „ Wahr ist, vom Seienden zu sagen, es sei …!“

Jetzt überlasse ich Sie wieder Ihren eigenen Gedanken. Ich möchte mich noch bei den „Alten Griechen“ für ihre Weisheit und ihr großartiges Denken bedanken. Es waren schon verdammt kluge Leute – unsere Altvorderen. Sie verdienen unsere Hochachtung und das auch noch nach mehr als 2.300 Jahren!