Gedichte zu den vier Jahreszeiten aus längst vergangener Zeit: 1. Frühlingsgedichte

Er ist's

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(Eduard Mörike)

 

Frühling läßt sein blaues Band

wieder flattern durch die Lüfte;

süße, wohlbekannte Düfte

streifen ahnungsvoll das Land.

 

Veilchen träumen schon,

wollen balde kommen.

Horch, von fern ein leiser Harfenton!

Frühling, ja du bist's!

Dich hab ich vernommen!

 

Nun will der Lenz uns grüßen

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(Volkslied)

 

Nun will der Lenz uns grüßen,

von Mittag weht es lau;

aus allen Wiesen sprießen

die Blumen rot und blau.

Draus wob die braune Heide

sich ein Gewand gar fein

und lädt im Festtagskleide

zum Maientanze ein.

 

Waldvöglein Lieder singen,

wie ihr sie nur begehrt;

drum auf zum frohen Springen,

die Reis' ist Goldes wert.

Hei, unter grünen Linden,

da leuchten weiße Kleid!

Heija, nun hat uns Kinden

ein End all Wintersleid.

 

Hinaus ins Freie 

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(von H.H. von Fallersleben)

 

Wie blüht es im Tale,

wie grünt's auf den Höh'n!

Und wie ist es doch im Freien,

im Freien so schön!

 

Es ladet der Frühling,

der Frühling uns ein:

Nach der Weidenflöte sollen

wir springen den Reih'n.

 

Wer wollte nicht tanzen

dem Frühling zulieb,

der den schlimmen langen Winter

uns endlich vertrieb?

 

So kommet, so kommet

ins Freie hinaus!

Wann die Abendglocke läutet,

geht's wieder nach Haus.

 

Willkommen, lieber Frühling 

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(von H.H. von Fallersleben)

 

Sei willkommen, lieber Frühling!

Sei gegrüßt viel tausendmal!

Lieber Frühling, bleib recht lange,

lang‘ in unserm stillen Tal!

 

Dir zu Ehren sollen schallen

unsere Flöten und Schalmein,

und wir wollen dir zu Ehren

tanzen unsern Ringelreih’n.

 

Und wir wollen Kränze winden

und uns schmücken schön wie du,

und wir wollen Lieder singen

und so fröhlich sein wie du.

 

April (von Heinrich Seidel)

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April! April!

Der weiß nicht, was er will.

Bald lacht der Himmel blau und rein,

bald schaun die Wolken düster drein,

bald Regen und bald Sonnenschein!

Was sind mir das für Sachen,

mit Weinen und mit Lachen

ein solch Gesaus zu machen!

April! April!

Der weiß nicht, was er will.

 

O weh! O weh!

Nun kommt er gar mit Schnee

Und schneit mir in den Blütenbaum,

in all den Frühlingswiegentraum!

Ganz gräulich ist’s, man glaubt es kaum;

Heut Frost und gestern Hitze,

heut Reif und morgen Blitze,

das sind so seine Witze!

O weh! O weh!

Nun kommt er gar mit Schnee!

 

Hurra! Hurra!

Der Frühling ist noch da!

Und treibt der raue Wintersmann

Auch seinen Freund, den Nordwind, an

Und wehrt er sich, so gut er kann,

es soll ihm nicht gelingen;

denn alle Knospen springen,

und alle Vögel singen.

Hurra! Hurra!

Der Frühling ist doch da!

 

Ich ging im Walde so vor mich hin

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(Johann Wolfgang von Goethe)

 

Ich ging im Walde

so vor mich hin,

und nichts zu suchen,

das war mein Sinn.

 

Im Schatten sah ich

ein Blümlein stehn,

wie Sterne blinkend,

wie Äuglein schön.

 

Ich wollt es brechen,

da sagt' es fein:

Soll ich zum Welken

gebrochen sein?

 

Mit allen Wurzeln

hob ich es aus,

und trugs zum Garten

am hübschen Haus.

 

Ich pflanzt es wieder

am kühlen Ort;

nun zweigt und blüht es

immer fort.

 

Der Osterspaziergang

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(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)

 

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

durch des Frühlings holden, belebenden Blick,

im Tale grünet Hoffnungsglück;

der alte Winter, in seiner Schwäche,

zog sich in raue Berge zurück.

Von dort her sendet er, fliehend, nur

ohnmächtige Schauer körnigen Eises

in Streifen über die grünende Flur.

Aber die Sonne duldet kein Weißes,

überall regt sich Bildung und Streben,

alles will sie mit Farben beleben;

doch an Blumen fehlt’s im Revier,

sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen

nach der Stadt zurück zu sehen!

Aus dem hohlen finstern Tor

dringt ein buntes Gewimmel hervor.

Jeder sonnt sich heute so gern,

sie feiern die Auferstehung des Herrn,

denn sie sind selber auferstanden:

Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,

aus Handwerks- und Gewerbesbanden,

aus dem Druck von Giebeln und Dächern,

aus der Straßen quetschender Enge,

aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht

sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur, sieh! wie behänd sich die Menge

durch die Gärten und Felder zerschlägt,

wie der Fluss in Breit und Länge

so manchen lustigen Nachen bewegt,

und, bis zum Sinken überladen,

entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden

blinken uns farbige Kleider an.

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

hier ist des Volkes wahrer Himmel,

zufrieden jauchzet groß und klein:

Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

 

Schneeglöckchen

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(Joseph Freiherr von Eichendorff)

 

`s war doch wie ein leises Singen

in dem Garten heute nacht,

wie wenn laue Lüfte gingen:

"Süße Glöcklein, nun erwacht,

denn die warme Zeit wir bringen,

eh's noch jemand hat gedacht."

's war kein Singen, 's war ein Küssen,

rührt die stillen Glöcklein sacht,

dass sie alle tönen müssen

von der künft’gen bunten Pracht.

Ach, sie konnten’s nicht erwarten,

aber weiß vom letzten Schnee

war noch immer Feld und Garten

und sie sanken um vor Weh.

So schon manche Dichter streckten

sangesmüde sich hinab,

und der Frühling, den sie weckten,

rauschte über ihrem Grab.

 

 

Winter ade!

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(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)

 

So hört doch, was die Lerche singt!

Hört, wie sie frohe Botschaft bringt!

Es kommt auf goldnem Sonnenstrahl

der Frühling heim in unser Tal,

er streuet bunte Blumen aus

und bringet Freud' in jedes Haus.

       Winter, ade!

       Frühling, juchhe!

 

Was uns die liebe Lerche singt,

in unsern Herzen wiederklingt.

Der Winter sagt: ade! ade!

Und hin ist Kälte, Reif und Schnee

und Nebel hin und Dunkelheit -

willkommen, süße Frühlingszeit!

       Winter, ade!

       Frühling, juchhe!

 

Vorfrühling

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(Hugo von Hofmannsthal)

 

Es läuft der Frühlingswind

durch kahle Alleen,

seltsame Dinge sind

in seinem Wehn.

 

Er hat sich gewiegt,

wo Weinen war,

und hat sich geschmiegt

in zerrüttetes Haar.

 

Er schüttelte nieder

Akazienblüten

und kühlte die Glieder,

die atmend glühten.

 

Lippen im Lachen

hat er berührt,

die weichen und wachen

Fluren durchspürt.

 

Er glitt durch die Flöte

als schluchzender Schrei,

an dämmernder Röte

flog er vorbei.

 

Er flog mit Schweigen

durch flüsternde Zimmer

und löschte im Neigen

der Ampel Schimmer.

 

Es läuft der Frühlingswind

durch kahle Alleen,

seltsame Dinge sind

in seinem Wehn.

 

Durch die glatten

kahlen Alleen

treibt sein Wehn

blasse Schatten.

 

Und den Duft,

den er gebracht,

von wo er gekommen

seit gestern Nacht.

 

Leise zieht durch mein Gemüt

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(Heinrich Heine)

 

Leise zieht durch mein Gemüt

liebliches Geläute,

klinge, kleines Frühlingslied,

kling hinaus ins Weite.

 

Zieh´ hinaus bis an das Haus,

wo die Veilchen sprießen;

wenn du eine Rose schaust,

sag´, ich lass sie grüßen.

 

 

Frühling übers Jahr

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(J. W. v. Goethe)

 

Das Beet, schon lockert

sich's in die Höh',

da wanken Glöckchen

so weiß wie Schnee;

Safran entfaltet

gewalt'ge Glut,

Smaragden keimt es

und keimt wie Blut.

Primeln stolzieren

so naseweis,

schalkhafte Veilchen,

versteckt mit Fleiß;

was auch noch alles

da regt und webt,

genug, der Frühling,

er wirkt und lebt.

 

Doch was im Garten

am reichsten blüht,

das ist des Liebchens

lieblich Gemüt.

Da glühen Blicke

mir immerfort,

erregend Liedchen,

erheiternd Wort;

ein immer offen,

ein Blütenherz,

im Ernste freundlich

und rein im Scherz.

Wenn Ros' und Lilie

der Sommer bringt,

er doch vergebens

mit Liebchen ringt.

 

Frühlingsnacht

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(Joseph von Eichendorff)

 

Übern Garten durch die Lüfte

hört ich Wandervögel ziehn,

das bedeutet Frühlingsdüfte,

unten fängt's schon an zu blühn.

 

Jauchzen möcht ich, möchte weinen,

ist mir's doch, als könnt's nicht sein!

Alte Wunder wieder scheinen

mit dem Mondesglanz herein.

 

Und der Mond, die Sterne sagen's,

und in Träumen rauscht's der Hain,

und die Nachtigallen schlagen's:

Sie ist deine, sie ist dein!

 

Komm, lieber Mai, und mache ...

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(Christian Adolph Overbeck)

 

Komm, lieber Mai, und mache

die Bäume wieder grün.

Und lass uns an dem Bache

die kleinen Veilchen blüh'n.

Wie möchten wir so gerne

ein Blümchen wieder seh'n.

Ach lieber Mai wie gerne,

einmal spazieren geh'n.

 

Zwar Wintertage haben

wohl auch der Freuden viel.

Man kann im Schnee frisch traben

und treibt manch Abendspiel.

Baut Häuselchen von Karten,

spielt Blinde Kuh und Pfand,

auch gibt's wohl Schlittenfahrten

aufs liebe freie Land.

 

Doch wenn die Vöglein singen

und wir dann froh und flink

auf grünem Rasen springen,

das ist ein ander' Ding.

Jetzt muss mein Steckenpferdchen

dort in dem Winkel steh'n;

denn draußen in dem Gärtchen

kann man vor Kot nicht gehn.

 

Am meisten aber dauert

mich Lottchens Herzeleid,

das arme Mädchen lauert

recht auf die Blumenzeit.

Umsonst hol ich ihr Spielchen

zum Zeitvertreib herbei,

sie sitzt in ihrem Stühlchen

wie's Hühnchen auf dem Ei.

 

Ach, wenn's doch erst gelinder

und grüner draußen wär!

Komm, lieber Mai, wir Kinder,

wir bitten gar zu sehr!

O komm und bring vor allem

uns viele Veilchen mit,

bring auch viel Nachtigallen

und schöne Kuckucks mit.

 

Frühling

..................

(Heinrich Seidel)

 

Was rauschet, was rieselt, was rinnet so schnell?

Was blitzt in der Sonne? Was schimmert so hell?

Und als ich so fragte, da murmelt der Bach:

"Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist wach!"

 

Was knospet, was keimet, was duftet so lind?

Was grünet so fröhlich? Was flüstert im Wind?

Und als ich so fragte, da rauscht es im Hain:

"Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!"

 

Was klingelt, was klaget, was flötet so klar?

Was jauchzet, was jubelt so wunderbar?

Und als ich so fragte, die Nachtigall schlug:

"Der Frühling, der Frühling!" - da wußt' ich genug!

 

Frühlingsahnung

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(Christian Morgenstern)

 

Rosa Wölkchen überm Wald

wissen noch vom Abendrot dahinter -

überwunden ist der Winter,

Frühling kommt nun bald.

 

Unterm Monde silberweiß,

zwischen Wipfeln schwarz und kraus

flügelt eine Fledermaus

ihren ersten Kreis...

 

Rosa Wölkchen überm Wald

wissen noch vom Abendrot dahinter -

überwunden ist der Winter,

Frühling kommt nun bald. 

 

Rosa Wölkchen überm Wald ...
Rosa Wölkchen überm Wald ...

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