Gedichte zu den vier Jahreszeiten aus längst vergangener Zeit: 4. Wintergedichte

Still, wie unterm warmen Dach ...
Still, wie unterm warmen Dach ...

Schneeflöckchen, Weißröckchen

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volkstümlich

 

Schneeflöckchen, Weißröckchen,

da kommst du geschneit,

du kommst aus den Wolken,

dein Weg ist so weit.

 

Komm, setz dich ans Fenster

du lieblicher Stern,

malst Blumen und Blätter,

wir haben dich gern.

 

Schneeflöckchen,

du deckst uns die Blümlein zu,

dann schlafen sie sicher

in himmlischer Ruh'.

 

Schneeflöckchen, Weißröckchen,

komm zu uns ins Tal,

dann bau‘n wir den Schneemann

und werfen den Ball.

 

Schneeflöckchen, Weißröckchen

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Urfassung von Hedwig Haberkern

 

Schneeflöckchen, vom Himmel

da kommst du geschneit,

du warst in der Wolke,

dein Weg ist gar weit.

Ach setz dich ans Fenster,

du niedlicher Stern,

gibst Blätter und Blumen,

wir haben dich gern!

 

Schneeflöckchen, ach decke

die Saaten geschwind.

Sie frieren, du wärmst sie,

so bittet das Kind.

Schneeflöckchen, Weißröckchen

so kommet doch all’,

dann wird bald ein Schneemann,

dann werf’ ich den Ball.

 

Der erste Schnee

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von Friedrich Güll

 

Ei, du liebe, liebe Zeit,
ei, wie hat´s geschneit, geschneit!
Rings herum, wie ich mich dreh´ ,
nichts als Schnee und lauter Schnee.
Wald und Wiesen, Hof und Hecken,
alles steckt in weißen Decken.

 

Und im Garten jeder Baum,
jedes Bäumchen voller Flaum!
Auf dem Sims, dem Blumenbrett
liegt er wie ein Federbett.
Auf den Dächern um und um
nichts als Baumwoll´ rings herum.

 

Und der Schlot vom Nachbarhaus,
wie possierlich sieht er aus:
Hat ein weißes Müllerkäppchen,
hat ein weißes Müllerjöppchen!
Meint man nicht, wenn er so raucht,
dass er just sein Pfeifchen schmaucht?

 

Und im Hof der Pumpenstock
hat gar einen Zottelrock
und die ellenlange Nase
geht schier vor bis an die Straße.
Und gar draußen vor dem Haus!
Wär´ nur erst die Schule aus!

 

Aber dann, wenn´ s noch so stürmt,
wird ein Schneemann aufgetürmt,
dick und rund und rund und dick,
steht er da im Augenblick.
Auf dem Kopf als Hut ´nen Tiegel
und im Arm den langen Prügel
und die Füße tief im Schnee
und wir rings herum, juhe!

Ei, ihr lieben, lieben Leut´,
was ist heut´ das eine Freud´!


Der erste Schnee

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von Heinrich Seidel 


Ans Fenster kommt und seht,

was heute vor sich geht.

Es kommt vom grauen Himmel

in dämmerndem Gewimmel

der erste Schnee herab.

Die Flocken, auf und ab

wie Schmetterlinge fliegen sie,

wie weiße Blätter wiegen sie

in leichten Lüften sich ...

Hurra! Wie freu ich mich!

Nun lasst uns gleich mal sehen,

wo unsere Schlitten stehen,

der große und der kleine,

der meine und der deine!

Mariechen zieh den Mantel an!

Da draußen gibt es Schlittenbahn.


Der erste Schnee

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(Verfasser unbekannt)

 

Der erste Schnee,

die weißen Flocken fliegen,

die Luft ist rein,

der Wind weht kalt

und Garten, Wiese, Feld und Wald

in weißer Hülle liegen.

 

Der Schneemann

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Verfasser unbekannt

 

Guten Morgen weißer Herr,
dick und schwer!
In unserem Garten stehn,
ist das nicht schön?
Schau´n sie nur die Bäume an!
Im Sommer hängen Kirschen dran!

 

Ihr Hut mein Herr ist wirklich sonderbar;
ob er nicht einmal ein Kochtopf war?
Ihre Nase spitz und gelb, lag sie nicht drüben
im Küchenkorb noch gestern bei den Rüben?

 

Ach, Ihre Pfeife gibt ja keinen Rauch!
Und Knöpfe fehlen an der Weste auch!
Welcher Schneider hat ihre Kleider
über Nacht so schön gemacht?

 

Ihr Wanderstecken ist famos!
Sie wollen mich fangen? Bitte! Los!

 

Der stille Riese rührt sich nicht;
was ist er doch für dich ein armer Wicht!
Die Spatzen gehen ohne Manieren
auf einem Eisenhut spazieren.

 

Nun schmilzt er gar im Sonnenschein!
Ich möchte wirklich kein Schneemann sein!

 

Ein Lied hinterm Ofen zu singen

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von Matthias Claudius

 

Der Winter ist ein rechter Mann,
kernfest und auf die Dauer;
sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
und scheut nicht süß noch sauer.

 

War je ein Mann gesund wie er?
Er krankt und kränkelt nimmer,
er trotzt der Kälte wie ein Bär
und schläft im kalten Zimmer.

 

Er zieht sein Hemd im Freien an
und lässt´s vorher nicht wärmen
und spottet über Fluss im Zahn
und Grimmen in Gedärmen.

 

Aus Blumen und aus Vogelsang
weiß er sich nichts zu machen,
hasst warmen Drang und warmen Klang
und alle warmen Sachen.

 

Doch wenn die Füchse bellen sehr,
wenn´s Holz im Ofen knittert,
und um den Ofen Knecht und Herr
die Hände reibt und zittert;

Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
und Teich und Zehen krachen:
Das klingt ihm gut, das hasst er nicht,
dann will er tot sich lachen.

 

Sein Schloss von Eis liegt ganz hinaus
beim Nordpol an dem Strande;
doch hat er auch ein Sommerhaus
im lieben Schweizerlande.

 

Da ist er denn bald dort, bald hier;
gut Regiment zu führen;
und wenn er durchzieht, stehen wir
und sehn ihn an und frieren.

 

Verschneit liegt rings die ganze Welt

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von Joseph von Eichendorff

 

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
ich hab nichts, was mich freuet,
verlassen steht ein Baum im Feld,
hat längst sein Laub verstreuet.

 

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume,
da rührt er seine Wipfel sacht
und redet wie im Traume.

 

Er träumt von künftger Frühlingszeit,
von Grün und Quellenrauschen,
wo er im neuen Blütenkleid
zu Gottes Lob wird rauschen.

 

Wenn es Winter wird

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von Christian Morgenstern

 

Der See hat eine Haut bekommen,

so dass man fast drauf gehen kann

und kommt ein großer Fisch geschwommen,

so stößt er mit der Nase an.

 

Und nimmst du einen Kieselstein

und wirfst ihn drauf, so macht es klirr

und titscher-titscher-titscher-dirr

Heißa du lustiger Kieselstein!

 

Da kommen die Fische haufenweis

und schauen durch das klare Fenster von Eis

und denken, der Stein wär etwas zum Essen.

Doch so sehr sie die Nase ans Eis auch pressen,

das Eis ist zu dick, das Eis ist zu alt,

sie machen sich nur die Nasen kalt.

 

Aber bald, aber bald

werden wir selbst auf eigenen Sohlen

hinausgehen können und den Stein wieder holen.

 


Gefroren hat es heuer  noch gar kein festes Eis ...
Gefroren hat es heuer noch gar kein festes Eis ...

Will sehen, was ich weiß,
vom Büblein auf dem Eis

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von Friedrich Güll


Späte Fassung 1827 


Gefroren hat es heuer 
noch gar kein festes Eis. 
Das Büblein steht am Weiher 
und spricht zu sich ganz leis: 
Ich will es einmal wagen, 
das Eis, es muß doch tragen. -
Wer weiß?

Das Büblein stapft und hacket 
mit seinem Stiefelein. 
Das Eis auf einmal knacket, 
und krach! schon bricht's hinein. 
Das Büblein platscht und krabbelt, 
als wie ein Krebs und zappelt 
mit Arm und Bein.

O helft, ich muß versinken 
in lauter Eis und Schnee! 
O helft, ich muß ertrinken 
im tiefen, tiefen See!
Wär nicht ein Mann gekommen,
der sich ein Herz genommen, 
o weh!

Der packt es bei dem Schopfe 
und zieht es dann heraus.
Vom Fuße bis zum Kopfe 
wie eine Wassermaus.
Das Büblein hat getropfet, 
der Vater hats geklopfet 
zu Haus.

 

Das Dorf im Schnee

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von Klaus Groth

 

Still, wie unterm warmen Dach,

liegt das Dorf im weißen Schnee;

in den Erlen schläft der Bach,

unterm Eis der blanke Schnee.

 

Weiden steh'n im weißen Haar,

spiegeln sich in starrer Flut;

alles ruhig, kalt und klar

wie der Tod, der ewig ruht.

 

Weit, so weit das Auge sieht,

keinen Ton vernimmt das Ohr,

blau zum blauen Himmel zieht

sacht der Rauch vom Schnee empor.

 

Möchte schlafen wie der Baum,

ohne Lust und ohne Schmerz;

doch der Rauch zieht wie im Traum

still nach Haus mein Herz.

 

An den Winter

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von Elisabeth Kulmann 

 

Willkommen, lieber Winter,
willkommen hier zu Land!
Wie reich du bist, mit Perlen
spielst du, als wär' es Sand!
 
Den Hof, des Gartens Wege
hast du damit bestreut;
sie an der Bäume Zweige
zu Tausenden gereiht.
 
Dein Odem, lieber Winter,
ist kälter, doch gesund;
den Sturm nur halt' im Zaume,
sonst macht er es zu bunt!

 

Der Schneemann

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von A. H. Hoffmann von Fallersleben

 

Seht, da steht er, unser Schneemann!

Das ist ein Geselle!

Stehet fest und unverzaget,

weicht nicht von der Stelle.

 

Schaut ihm in die schwarzen Augen!

Wird euch denn nicht bange?

In der linken Hand da hat er

eine lange Stange.

 

Einen großen Säbel hält er

fest in seiner Rechten.

Kommt heran! er wird sich wehren,

wird mit allen fechten.

 

Über ihn kann nur der Frühling

einen Sieg gewinnen:

Blickt ihn der nur an von Ferne,

wird er gleich zerrinnen.

 

Aber halt dich tapfer, Schneemann!

Laß dir offenbaren:

Stehst du morgen noch, so wollen

wir dich Schlitten fahren.

 

Der Bratapfel

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(Volksgut aus Bayern)

 

Kinder, kommt und ratet,

was im Ofen bratet!

Hört, wie's knallt und zischt.

Bald wird er aufgetischt,

der Zipfel, der Zapfel, der Kipfel,

der Kapfel, der gelbrote Apfel.

 

Kinder, lauft schneller,

holt einen Teller,

holt eine Gabel!

Sperrt auf den Schnabel

für den Zipfel, den Zapfel,

den Kipfel, den Kapfel,

den goldbraunen Apfel!

 

Sie pusten und prusten,

sie gucken und schlucken,

sie schnalzen und schmecken,

sie lecken und schlecken

den Zipfel, den Zapfel,

den Kipfel, den Kapfel,

den knusprigen Apfel.

 

Dezemberlied

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von Franz Grillparzer

 

Harter Winter, streng und rauch,
Winter, sei willkommen!
Nimmst du viel, so gibst du auch,
das heißt nichts genommen!

Zwar am Äußern übst du Raub,
zier scheint dir geringe,
Eis dein Schmuck, und fallend Laub
deine Schmetterlinge.

 

Rabe deine Nachtigall,
Schnee dein Blütenstäuben,
deine Blumen, traurig all
auf gefrornen Scheiben.

 

Doch der Raub der Formenwelt
kleidet das Gemüte,
wenn die äußere zerfällt,
treibt das Innere Blüte.

 

Die Gedanken, die der Mai
locket in die Weite,
flattern heimwärts kältescheu
zu der Feuerseite.

 

Sammlung, jene Götterbraut,
Mutter alles Großen,
steigt herab auf deinen Laut,
segensübergossen.

 

Und der Busen fühlt ihr Wehn,
hebt sich ihr entgegen,
lässt in Keim und Knospen sehn,
was sonst wüst gelegen.

 

Wer denn heißt dich Würger nur?
Du flichst Lebenskränze,
und die Winter der Natur
sind der Geister Lenze!