"Das heimliche Unheimliche..."  (Persiflage)

Das heimliche Unheimliche …

(eine Persiflage)

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von Joachim Größer (2010)

 

… oder sollte es doch lieber heißen: das unheimliche Heimliche?! Sie können ja selbst zum Schluss der Geschichte die Wahl treffen. Ach ja Wahl, Sie haben jetzt zuerst die Wahl zwischen gut und böse!

Da es um die heimlichen Geheimen geht, die ihren Dienst für das Vaterland leisten, also für die Leute vom Geheimdienst, ist diese Frage doch eindeutig entschieden: Der Geheimdienstmann ist gut. Hat er eine gute Tat vollbracht, bekommt er einen Orden und viel Lob von seinen Vorgesetzten. Aber, wenn er in dem anderen Land gefasst wird, dann ist das nicht gut. Er wird als Feind des Staates verhaftet und für seine schlimmen Taten verurteilt und ins Gefängnis gesteckt. Da das in vielen Ländern so gemacht wird, sammelt man in den Kerkern die Bösen und tauscht sie dann gegeneinander aus: Böse gegen Böse – halt: In den Heimatländern sind es ja jetzt wieder Gute – also tauscht man Böse gegen Böse, die dann sofort wieder zu Guten werden. So vor Kurzem geschehen in Österreich. Man tauschte böse Russen gegen gute Amerikaner oder gute Russen gegen böse Amerikaner. Das haben Sie doch verstanden – oder?

„Klar!“, sagen Sie. „So war das doch schon immer.“

Und Sie haben recht! Schon die alten Griechen, die Ägypter, die Römer schickten gute Männer (und manchmal auch Frauen) in Feindesland. Mit List und Tücke verhalfen sie ihren Leuten zum Sieg – fast immer, oder manchmal, oder doch selten? Gefasst wurden nämlich damals schon solche „Verräter“ und mit ihnen machte man kurzen Prozess – auf gut Deutsch: Kopf ab!

Ja, so war das damals. So war das im Dreißigjährigen Krieg, in den Napoleonischen Kriegen, im Deutsch-Französischen, im Deutsch-Dänischen Krieg, im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Eigentlich müsste ich so viele Kriege aufführen, dass ich viele Seiten mit der Aufzählung füllen müsste - aber dann hätte dieses Thema keinen Reiz mehr. Nur einen Krieg darf ich nicht vergessen: den Kalten Krieg - denn dieser war der Krieg der Geheimdienste! Hier konnten sie sich so richtig austoben. Hier konnte man Orden und Ehrenzeichen sammeln, hier konnte man in die höchsten Regierungsstellen aufsteigen! Ja, das war ein Krieg, ein herrlicher Krieg! Man konnte Falschmeldungen verbreiten und freute sich, wenn die feindliche Seite darauf hineinfiel. Man konnte als getarnter Diplomat Informationen über Informationen sammeln und brauchte noch nicht einmal Angst haben, dass man gefasst wurde. Wurde man doch mal erwischt, dann – na, Sie wissen schon: Man tauscht Gute gegen Böse und Böse gegen Gute.

Übrigens wussten Sie, dass unsere nächsten Verwandten im Tierreich, die Menschenaffen, auch einen Kalten Krieg kennen? Da gibt es doch wahrhaftig Affen, die in Feindesland spionieren und wenn das die feindliche Horde bemerkt, ist es oft schon zu spät. Dann ist aus dem Kalten Krieg ein Heißer geworden. So vergrößert man das eigene Territorium und die Affenmänner, die alten grauhaarigen Affen, erhöhen ihr Ansehen in der Gruppe und bekommen dafür mehr Sex mit ihren angebeteten Affendamen. (Wer war das, der da meinte, Affen seien auch nur Menschen?)

Eine andere Methode, um einen Krieg vom Zaun zu brechen, ist die Lüge. Da die Geheimdienstler ja überall sind und alles wissen, glaubt man ihnen, wenn sie warnen, dass dieser Diktator Massenvernichtungswaffen besitze, die er gegen seine Feinde einsetzen werde. Und wenn eine Regierung das immer und immer wieder wiederholt, dann glauben dies auch die Menschen und schreien: „Nieder mit diesem Diktator! Wir brauchen einen Krieg, um die Menschheit zu retten!“

Und wenn man dann die Menschheit gerettet hat, darf man getrost feststellen: „Die Geheimdienstler haben sich geirrt! Irren ist doch menschlich!“

Und die vielen Tote, das verwüstete Land, das Chaos, das man hinterlässt, das alles verbucht man unter dem Begriff: Kollateralschäden! Man braucht keine Toten zählen, man spricht nicht vom Leid und Elend – schließlich hat man die Menschheit gerettet. Und der „Retter“ lässt sich noch als Retter feiern.

Da viele die Menschheit retten wollen, gibt es viele Geheimdienste. In den USA sollen es mehr als 300 sein. Die anderen Länder halten sich da bedeckter, aber es gibt kein Land auf dieser Erde, das keinen Geheimdienst hat. Und ist das Land so arm, dass z. B. ein Regierungschef eine Flugreise aus Mangel an Geld nicht antreten und eine wichtige internationale Konferenz nicht besuchen kann, einen, wenigstens einen Geheimdienst hat auch dieses Land. Man muss ja wissen, was die Leute im eigenen Land denken. Es könnte ja sein, da planen einige einen Putsch oder sie wollen an das Geld der Reichen?! Und das geht natürlich nicht! Dieses Wissen müssen die Geheimen erkunden und den Regierungen mitteilen, damit die im Geheimen geheime Gegenmaßnahmen ergreifen können. Bewährt hat sich da immer das Solide: Gefängnis – am besten ohne Gerichtsverhandlung, da kann man auf Falschaussagen der Geheimen sogar verzichten.

Jetzt könnten Sie glauben, die Geheimen wären alle böse und schlecht. Stimmt doch gar nicht! Ein Geheimer im Dienst seiner britischen Majestät ist immer gut: James Bond! Er hat die Lizenz zum Töten, bekommt immer die hübschesten Mädchen, die ja auch Geheime sind und mit denen macht er dann gar keinen heimlichen Sex. Ja, dieser James Bond ist ein toller Kerl. Immer gewinnt er, immer rettet er die Welt vor dem Bösen! Er hat Autos, die fahren von selbst und schießen und treffen und töten – aber immer nur die Bösen.

Und dank dieses Filmhelden ist es doch auch kein Wunder, dass die Geheimdienste keine Nachwuchssorgen haben. Schicken Sie doch ihren 14-jährigen Sohn dreimal in einen James-Bond-Film, und ihr Spross will so werden, wie dieser James Bond. Und er möchte auch die Welt retten und die hübschen Mädchen vernaschen und … (Aber das darf er noch nicht!)

Aber etwas ist erstaunlich: Wieso konnte der DDR-Geheimdienst 100.000 Mann rekrutieren? Die DDR-Bürger durften doch kein West-Fernsehen sehen, die kannten doch gar nicht den James Bond! Da stand doch wirklich hinter jeder Wohnungstür ein Geheimer, und wenn jemand den Westkanal einschaltete, dann kam er sofort in den Gulag nach Sibirien. Und dort musste er für die bösen Russen, für die Bolschewisten arbeiten.

Ja, das ist schon erstaunlich. Erstaunlich ist auch, wieso man weiß, dass der DDR-Geheimdienst 100.000 Mann hatte. Jetzt müssen Sie geheimes Denken anwenden: Mielke, das war der alte Mann, der alle liebte, und Chef des Geheimdienstes war, war Armeegeneral und Armeegeneral wird man erst, wenn man über 100.000 Mann befehlen kann. So einfach ist das!

Nicht so einfach ist eine andere Rechnung! Wenn hinter jeder Wohnungstür in der damaligen DDR eine Geheimer stand, dann müsste doch der Mielke über … Also sagen wir, die DDR hatte 17 Millionen Einwohner. Nehmen wir an, es gibt 6 Millionen Haushalte, dann müsste doch der Mielke über 6 Millionen befehlt haben! Wahnsinn – wer hat denn da noch gearbeitet? Ach so, klar, habe ich vergessen – die DDR ging ja an ihren wirtschaftlichen Problemen zugrunde – besser: wurde aufgekauft für das Versprechen von blühenden Landschaften. Und das Versprechen wurde gehalten: Man vernichtete zuerst die Industrie, dann baute man die Industrieruinen ab, dann baute man die leer stehenden Häuser zurück, denn 4 Millionen Menschen, vor allem die jungen, gingen dorthin, wo sie Arbeit bekamen. Heute ist der Osten Deutschlands ein Paradies für die Alten. Sie können durch blühende Landschaften wandeln und hängen ihren Erinnerungen nach und da … aber das führt jetzt vom Thema ab. Sie sehen aber, liebe Leser, ein Versprechen wurde gehalten. Das gab aber auch kein Geheimer sondern ein Politiker! Politiker halten Versprechen, die Geheimen brauchen das nicht, da die Versprechen ja geheim bleiben.

Bestimmt kennen Sie das schöne Lied „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten …“ Das ist ein Lied, was den Geheimen und zwar keinem Geheimen auf unserer schönen Erde gefällt. Will man doch immer wissen, was denkt der Mensch jetzt. Die DDR-Stasi informierte sich mit Hilfe der sogenannten IM (Informeller Mitarbeiter). Ob die der Verfassungsschutz auch hat? Vielleicht ist der freundliche alte Herr im Nachbarhaus ein Spitzel für den Verfassungsschutz? Und der petzt dann, dass sie vielleicht geprotzt haben, dass sie bei der nächsten Wahl es den Regierenden schon zeigen werden?!

Aber so etwas Primitives, Menschen als Spitzel zu benutzen, braucht man heute doch gar nicht mehr. Da steht eher ein Auto 50 Meter von der Wohnung des Herrn Mayers entfernt und im Auto sitzt ein Mann und hört schöne Musik – vielleicht gerade das Lied, welches zwar kaum noch gespielt wird, aber wirklich schön ist: „Die Gedanken sind frei …“

Das denken Sie! In Wirklichkeit hört er die Gespräche ab, die der Herr Mayers mit seiner Frau, seinen Freunden, mit dem Telefongesprächspartner führt. Er hört, ob der Mayers sich eine politische Sendung im Fernsehen ansieht oder ob er sich bei „Ein Bauer sucht eine Frau“ vergnügt.

Vielleicht sagt er dann zu seinen Vorgesetzten: „He Boss, der Mayers ist völlig unpolitisch. Der denkt nur an Sex! Den streichen wir von der Liste!“

Oder aber er sagt: „Boss, der Mayers ist ein Revoluzzer! Der schimpft nur auf die Regierung! Ich würde sagen, das ist Alarmstufe ‚ROT‘!“

Ja, so schnell kann das gehen. Und der Herr Mayers hat dann das Nachsehen!

Aber was geheim ist, muss nicht immer geheim bleiben. Es ist schon einige Zeit her, da kam ein ganz geheimes „Streng geheim!“- Dokument an die Öffentlichkeit. Das Dokument entstammt den 70-er Jahren und war vom CIA-Geheimdienst verfasst worden. Dort soll es geheißen haben, dass der CIA (Central Intelligence Agency - deutsch: „Zentraler Nachrichtendienst“) in alle wichtigen Länder der Erde in die Schaltzentralen der Meinungsbeeinflussung, zu gut deutsch: Fernseh- und Rundfunkstationen und Zeitungsredaktionen, gut ausgebildete, psychologisch geschulte Mitarbeiter in verantwortliche Stellungen bringen wolle, um so von vornherein, Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen. Jetzt möchte ich wirklich wissen, ob dieses Konzept umgesetzt wurde. Wenn ja, wer sind diese Leute dann beim … Ach, ja, das ist doch geheim! Die werden sich doch nicht selbst entlarven.

(So wurde z. B. erst 2006 öffentlich gemacht, dass nach dem Kriege deutsche Schriftsteller für die CIA gearbeitet haben. Und auch der deutsche Geheimdienst, der BND, ließ honorige Journalisten für sich arbeiten.) 

Aber gehen wir wieder zurück in die Gegenwart. Heute ist doch alles viel freier. Es gibt das Internet und da kann man sich informieren. Man kann elektronische Briefe schreiben und die liest garantiert keiner mit!

„Stimmt nicht!“, ruft da einer. Und leider hat der recht. Die Geheimdienste der USA scannen den gesamten weltweiten Datenverkehr im Netz. Sie suchen nach Informationen über Terroristen, sind an Industrie-Geheimnisse interessiert – sie zeigen, dass sie die Mächtigsten auf dieser Erde sind.

Wenn Sie mal Bekanntschaft mit einem Geheimen machen wollen, dann packen Sie doch mal in eine E-Mail einige sogenannte „Schlüsselworte“. Das könnte sein: Waffenlager oder biologische Waffen oder … Ach, Sie wissen doch, was ich meine. Wenns klappt, lernen Sie einen Geheimen kennen.

Übrigens gab es da im Internet eine schöne Geschichte zu lesen. Ich versuche sie mal, in aller Kürze hier darzubieten:

„Ali war ein alter Mann und lebt nun schon seit seiner Kindheit in den USA. Sein Sohn, der Hassad, war ein junger Mann, der die ganze Welt bereist und seinen Geschäften nachgeht. Und damit Vater Ali seinen Sohn auch in jedem Winkel dieser schönen Erde erreichen konnte, kaufte Sohn Hassad dem Vater Ali einen Computer und lehrte ihm, E-Mail zu versenden und zu empfangen. Und Vater Ali bekam wieder einmal sein Zipperlein und das Kreuz schmerzte und da der kleine Garten umgegraben werden sollte, schrieb er seinem Sohn eine E-Mail und bat ihn, nach Hause zu kommen, um den Garten umzugraben. Doch der Sohn Hassad konnte nicht kommen, wichtige unaufschiebbare Geschäfte hinderten ihn daran. Da aber Sohn Hassad ein kluger Mann war, schrieb er seinem Vater: ‚Lieber Vater, leider kann ich nicht kommen, um Dir zu helfen. Wenn Du aber doch den Garten umgraben solltest, so achte auf die Bomben, die in der Erde liegen. Es liebt Dich Dein Sohn Hassad.‘

Nur wenige Tage später kamen viele Männer mit vielen Geräten und sie halfen dem alten Ali und gruben den Garten sogar mehrfach um. Und Vater Ali brauchte sich noch nicht einmal dafür bedanken. Und so schrieb er an seinen klugen Sohn Hassad: ‚Mein lieber Sohn, Allah hat Dir Weisheit und einen klugen Verstand gegeben!‘“

Übrigens wurde diese Geschichte auch von der Stasi erzählt. Nur dass dort nicht E-Mails, sondern Briefe gelesen wurden. (Internet kannte doch die Stasi nicht, die waren doch rückständig und zurückgeblieben!) Aber aus dieser Zeit stammt auch der Satz: Die DDR ist ein Leseland!

Aber auch von anderen Geheimdiensten wird diese Geschichte, natürlich mit landestypischen Variationen versehen, erzählt. So kann sich der sowjetische Geheimdienst KGB damit „schmücken“, auch der britische, der französische, der israelische, der …

Wenn man so etwas liest, freut es einem, dass das Volk seinen Humor als Gegenwaffe benutzen kann. Da gibt es im Französischen ein Sprichwort: „Die Lächerlichkeit tötet sicherer als jede Waffe.“

Aber vielleicht haben die Geheimen etwas gegen den Humor? Dann ist mit ihnen nicht zu lachen.

Gegen die sogenannten Hacker haben sie auch was. Versuchen doch diese Spezialisten, mithilfe von Trojanern (kleine Schnüffel-Programme) in die Regierungscomputer einzudringen, um dort streng geheime Dokumente zu ergaunern. Und wenn ein Staat das bemerkt, dann geht ein Geschrei los: „Der war das! Der bricht bei uns ein!“ Und der „Der“ ist immer das böse Land, welches man auf dem Kieker hat. Da bieten sich zurzeit besonders China und Russland an, aber auch Nordkorea und der Iran sind die anvisierten „Der“.

Komisch nur, dass die deutsche Bundesregierung Computerspezialisten eingestellt hat, die als „Geheime“ in den geheimen Zonen der anderen Staaten nach Geheimnissen suchen sollen. (Schließlich man muss ja auf der Höhe der Zeit sein und man will ja auch mitbestimmen in der Welt des Geheimen. Man ist ja schließlich wer!)

Aber manchmal kommt auch Skurriles heraus. Erst vor wenigen Wochen konnte man im Internet lesen, dass ein ganz spezieller Trojaner von Hackern entwickelt wurde. Und da der so spezifisch ist, vermuteten die Sicherheitsexperten, dass die Geheimdienste dahinter stecken. Und der Konzern Microsoft musste nun auf die Schnelle einen Patch entwickeln, der diese Lücke schließen soll. Ja, irgendetwas ist da wohl nicht richtig gelaufen. Aber solche Pannen passieren nun mal.

Ach Panne! Das konnte man auch im Internet lesen:

„Hacker-Angriff: Sexfilm lief im Parlamentsfernsehen

Die Abgeordneten des indonesischen Parlaments bekamen kürzlich unvorhergesehene Inhalte über das interne Parlamentsfernsehen zu sehen. Einem Hacker war es möglich, direkt einen Sexfilm auf das innere Informationssystem zu schalten ...“

Nun wettern alle gegen das böse Internet und fordern eine Zensur.

Und so gibt es noch Vieles, was den Mächtigen dieser Erde am Internet nicht gefällt. Hackt man selber, ist das gut, hacken andere, dann – klar wissen Sie es, dann ist es … richtig! Es ist böse!

So sind wir also wieder zum Ausgangspunkt dieser Persiflage gelangt. Und wenn Sie mal über „gut oder böse“ philosophieren möchten, dann lesen Sie doch mal die Biografien zweier Deutscher, die Chefs deutscher Geheimdienste waren. Wikipedia bietet Ihnen die Lebensläufe von Reinhard Gehlen (http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Gehlen) und von Markus Wolf (http://de.wikipedia.org/wiki/Markus_Wolf).

So, jetzt bleibt mir nur zu hoffen, dass diese Zeilen, die ja nicht geheim sind, von den Geheimen gelesen werden. Dann würde ich mich unheimlich darüber freuen und ich würde das auch nicht geheim halten! Versprochen!